© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 03/20 / 10. Januar 2020

„Wir schauen nur auf Profitabilität“
Autoindustrie: Das Ford-Werk in Saarlouis feiert sein 50jähriges Jubiläum / Ohne neue SUV ab 2025 am Ende?
Christian Schreiber

Die Rezession von 1966 dämpfte das deutsche Wirtschaftswunder und traf das Saarland hart: der Steinkohle- und Stahlabsatz brach ein. Kanzler Ludwig Erhard ergriff die Initiative und setzte sich beim Kölner Ford-Vorstand für ein neues Werk ein: Am 16. September erfolgte die Grundsteinlegung durch Generaldirektor Robert Layton, am 16. Januar 1970 läuft der erste Escort in Saarlouis vom Band – vier Meter lang, zwei Türen, nur 40 PS.

Fünf Jahrzehnte später rollte der 15millionste Ford vom Band: ein Focus ST, Fünftürer, mit 2,3-Liter-Turbomotor, 280 PS, 250 km/h Spitze – die stärkere Alternative zum Golf GTI. „Der Ford Focus und damit auch unser Werk in Saarlouis sind absolute Paradebeispiele für die hohe Produktionsqualität ‘made in Germany’“, erklärt Werksleiter Jürgen Schäfer. Dazwischen liegt eine unglaubliche Erfolgsgeschichte: 1971 läuft die Produktion des Sportcoupés Capri an, 1976 verläßt der einmillionste, 1980 der zweimillionste, 1983 der dreimillionste und 1990 der fünfmillionste Ford das Werk. 1998 beginnt die Drei-Schicht-Produktion, 2005 ist ein Focus Turnier das zehnmillionste Auto „made in Saarlouis“. Derzeit laufen täglich 1.160 Focus-Modelle in Saarlouis vom Band. 72 Prozent gehen in den Export – bis nach Australien, Neuseeland und Taiwan.

2019 war Ford mit 279.719 neu zugelassenen Autos (+10,9 Prozent) und einem Marktanteil von 7,8 Prozent nach VW und Mercedes die drittstärkste Marke in Deutschland. Aber es gab auch Hiobsbotschaften: Der Focus – mehrfach vor dem Toyota Corolla oder VW Golf/Jetta der global meistverkaufte Pkw – ist kein Weltauto mehr. Wie GM und Chrysler setzt Ford voll auf SUV und Pick-ups und überläßt den US-Limousinenmarkt deutschen und asiatischen Konzernen. Der Vertrieb des in China hergestellten US-Focus wurde eingestellt. Auch in Rußland, Kasachstan und Israel wird das Modell nicht mehr angeboten. Zudem lief in Saarlouis der Van C-Max ersatzlos aus – am 28. Juni gab es die letzte Nachtschicht, 500 Leih- und 400 festangestellte Arbeiter mußten gehen. Insgesamt fallen 1.600 Stellen weg, zudem 700 Jobs im Zulieferpark.

Europaweit fallen 12.000 Stellen weg, Werke in Frankreich, England, der Slowakei und Rußland wurden geschlossen. Die Zukunft des 1931 errichteten Kölner Werks, wo derzeit der Kleinwagen Fiesta vom Band läuft, hängt in der Schwebe. Wie es 2025 – dem hundertjährigen Jubiläum von Ford Deutschland – in Saarlouis weitergeht, ist ungewiß. Ford-Europa-Chef Stuart Rowley hat für 2020 aber einen „Strategieprozeß“ angekündigt. Dies sei „unausweichlich“, erklärte IG-Metall-Funktionär Lars Desgranges in der Saarbrücker Zeitung. Nachdem die Belegschaft die „schmerzhafte Umgestaltung eines Drei- in einen Zweischicht-Betrieb“ mitgemacht habe, „ist jetzt die Arbeitgeberseite in der Pflicht“, sagte Desgranges. Wenn keine Perspektiven erkennbar seien, „dann geht es 2020 um mehr als nur die Wurst“.

Wird es noch eine fünfte Focus-Generation geben?

„Wir schauen nicht mehr auf Volumen, wir schauen auf Profitabilität“, kündigte Deutschlandchef Gunnar Herrmann in der Automobilwoche an. Ford verkaufte 2018 weltweit nur noch sechs Millionen Autos – aber bei lediglich 3,7 Milliarden Dollar Gewinn. Der Konkurrent GM kam auf 8,3 Millionen Autos bei immerhin acht Milliarden Dollar Gewinn. „Wir werden in Eu­ropa bleiben und wir werden in Europa ein nachhaltiges Angebot bereithalten“, versprach der 59jährige Leverkusener, der 1986 als Karosseriebauingenieur im John-Andrews-Entwicklungszentrum in Köln-Merkenich anfing und bis zum „Executive Director Business Transformation Ford of Germany“ emporstieg.

Ein klares Bekenntnis zum Standort Deutschland war das nicht. Im Saarland schaut man mit Bangen auf die aktuelle Entwicklung. Der Focus soll definitiv bis 2024 in Saarlouis gebaut werden. Der Konzern investiert 210 Millionen Dollar in das Werk, um die Produktion für den SUV Focus Active und den Kombi Focus Turnier zu erweitern. Wie es danach weitergeht, ist ungewiß. Wird es überhaupt eine fünfte Focus-Generation geben? Ford stellt den großen Mondeo und die Van-Ableger S-Max und Galaxy ein. Der kolportierte SUV-Ersatz „Mondeo Evos“ im Fünf-Meter-Bereich oder die neue Generation des US-SUVs Edge dürfte Greta-Gläubigen die Zornesröte ins Gesicht treiben und Brüssel mit hohen CO2-Strafabgaben beglücken.

Bundesweit hat Ford noch 24.000 Stammbeschäftigte – gut 6.000 in Saarlouis, knapp 18.000 in Köln und 200 in Aachen. Im Design- und Entwicklungszentrum in Köln und im Forschungszentrum Aachen entstehen zahlreiche Ford-Modelle für den globalen Markt. Wenn Ford künftig nur noch gewinnträchtige Pick-ups, SUVs, Transporter und Lkws herstellen will, stellt sich die Frage: Kann der deutsche Ableger gegen die Konkurrenz in den USA und China bestehen? Opel ist seit dem Verkauf von GM an die französische PSA-Gruppe nur noch eine Marke, die abgewandelte Peugeot/Citroën- und künftig auch Jeep/Fiat-Modelle etwas teurer verkauft.

Doch im Saarland ist Ford einer der größten Arbeitgeber und bislang ein sichtbares Zeichen des Strukturwandels. Ford-Deutschland-Chef Herrmann verspricht, in der Konzernzentrale in Detroit für den Erhalt des Werkes in Saarlouis zu kämpfen. Dort werde registriert, daß es mit dem Umbau, auch der deutschen Standorte, vorangehe und die Belegschaft den Kurs mittragen.

Er könne derzeit noch nicht verläßlich sagen, an welchen Standorten künftig welche Modelle gebaut werden. In diese Überlegungen müsse man auch die weitere Marktentwicklung einbeziehen. Ford werde jedoch bei „den neuen Technologien vorne mit dabei sein“. Man werde verstärkt auf E-Mobilität setzen. Doch die Kunden kaufen lieber bequeme SUV. Und die Erfolgsmodelle Kuga und Ecosport werden in Spanien bzw. Rumänien hergestellt (JF 15/19).

Ford hat 750 Millionen Euro in die Fertigung der neuen Kuga-Generation in Valencia investiert. Seit 2011 waren es in Spanien insgesamt drei Milliarden Euro. Tausende neue Arbeitsplätze wurden so geschaffen. Auch die 1959 gegründete Ford Otomotiv Sanayi A.S. hat – unbeeindruckt von der Brüsseler Klimapanik – beste Aussichten: In der Türkei produzieren derzeit 12.000 Mitarbeiter die erfolgreiche Transit-Transporterbaureihe. 2018 kam der Lkw F-Max hinzu.

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