© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 03/20 / 10. Januar 2020

Abkassieren dank Brüssel
Verkehrspolitik: Die CSU-Maut ist tot, die Pläne für ein einheitliches EU-Mautsystem sind aber nur aufgeschoben, nicht aufgehoben
Christian Schreiber

Zu Jahresanfang hat sich die östereichische Jahresmaut für Pkws von 89,20 auf 91,10 Euro erhöht. Der Preis für eine Zehn-Tages-Vignette stieg von 8,90 auf 9,40 Euro. Seit 1997 gibt es diese Autobahngebühr. Auch bei den zwei weiteren bayerischen Nachbarn – der Tschechei (60,50 Euro jährlich) und der Schweiz (38 Euro für 14 Monate) – werden Autofahrer zur Kasse gebeten, während ausländische Pkw-Fahrer in Deutschland nur an der Zapfsäule ihren Obolus entrichten müssen.

53,4 Milliarden Einnahmen, 10,8 Milliarden Ausgaben

Das dürfte vorerst so bleiben, denn die seit 2013 von der CSU geplante und von Verkehrsminister Andreas Scheuer ausgearbeitete „Ausländermaut“ ist 2019 erwartungsgemäß vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gescheitert. „Normalerweise macht man Verträge, wenn man den Auftrag mehr oder weniger sicher hat“, empörte sich Armin Pfeiffer kürzlich bei einer Versammlung des CSU-Ortsverbands Kumhausen (Landkreis Landshut). „Das ist voller Schwachsinn, was er gemacht hat.“

Und es könnte teuer werden: „Jetzt stehen Schadenersatzforderungen der gekündigten Auftragnehmer von mehreren hundert Millionen Euro im Raum“, warnt der Bund der Steuerzahler (BdSt). Zudem seien vor dem EuGH-Stopp bereits Kosten von mehr als 50 Millionen Euro angefallen. Hinzu kommt: In Österreich und der Tschechei kostet der Liter Super etwa 20 Cent weniger als in Deutschland. Zudem hat der Bund 2019 etwa 7,5 Milliarden Euro Lkw-Maut sowie 9,1 Milliarden Euro Kfz- und 36,8 Milliarden Euro Energiesteuer eingenommen – Scheuer hat aber nur 10,8 Milliarden Euro für die Bundesfernstraßen ausgegeben. Ab 2021 spült die „CO2-Bepreisung“ zusätzliche Klimamilliarden in den Bundeshaushalt.

Doch die Pkw-Maut ist nur aufgeschoben, denn die EU-Kommission plant längst ein einheitliches Mautsystem – mit dem Zusatzargument: bessere Überwachung und Kontrolle der Verkehrsflüsse. Zudem sei die Maut ein „effizienter Weg, um Fahrer – und nicht die gesamte Gesellschaft – für die Nutzung von Infrastruktur zahlen zu lassen“, erklärte ein EU-Kommissionssprecher. „Langfristig wird eine Pkw- und auch eine City-Maut kommen“, prognostiziert der Verkehrsforscher Stefan Bratzel von der privaten Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach (FHDW) im WDR. „Eine zeit- und belastungsabhängige Maut hätte verschiedene Vorteile, zum Beispiel eine Entzerrung der Verkehrssituation.“ Sprich: Reiche können immer fahren, Normalverdienern verbleibt ein schmales Zeitfenster.

Der EuGH hat diesen Weg explizit offengehalten. „Es kann durchaus Sinn machen, die Kfz-Steuer abzuschaffen und ein Mautsystem auch für Pkw einzuführen“, findet auch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg. Wie die EU will der CDU-Politiker so die Verkehrsströme lenken. In Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Polen, Portugal und Spanien müssen Pkw-Fahrer schon lange eine heftige Gebühr für jeden zurückgelegten Kilometer zahlen. In Bulgarien, Rumänien, der Slowakei, Slowenien und Ungarn gibt es wie in Österreich und der Tschechei eine pauschale Vignettenpflicht auf Autobahnen und Schnellstraßen. In Belgien, Dänemark, Finnland, Luxemburg, den Niederlanden, Schweden und Zypern sowie den baltischen Ländern gibt es – bis auf einzelne Brücken und Tunnel – wie in Deutschland keine Pkw-Maut.

Seit 1999 gibt es aber die Eurovig­netten-Richtlinie (1999/62/EG) für Lkw, die inzwischen verschärft wurde (Richtlinie 2011/76/EU). Über diesen Hebel sollen künftig auch Pkws und Transporter von bis zu 3,5 Tonnen in die Mautpflicht einbezogen werden. Zeitabhängige Benutzungsgebühren (Vignetten) für Lkws sollen bis Ende 2023 und für Pkws bis Ende 2027 verboten werden. Danach soll nur eine kilometerabhängige Maut möglich sein. Auch eine Staugebühr, die für alle Fahrzeugklassen gilt und die Gebühren nach Ort, Zeit und Fahrzeugklasse differenziert, ist im EU-Richtlinienentwurf enthalten.

Eine EU-Einigung ist zwar im Dezember vorerst gescheitert – aber nur, weil sich die Mitgliedstaaten noch nicht auf Übergangsregelungen und die CO2-Emissionsklassen verständigen konnten. Scheuers Pläne hätten also spätestens 2027 überarbeitet werden müssen – die „Ausländermaut“ war also nur ein Ablenkungsmanöver, um die Deutschen an die geplante EU-Maut zu gewöhnen.

Verkehrspolitik der EU-Kommission:  ec.europa.eu/