© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/20 / 17. Januar 2020

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Am Ende doch ’ne Spende
Christian Vollradt

Im Bundestag sieht eine nicht ungewöhnliche Konstellation wie folgt aus: alle anderen Fraktionen gegen die AfD. Am vergangenen Donnerstag war sie ein wenig anders: die AfD gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundestag. Nicht im Plenum unter der Reichstagskuppel – es war noch sitzungsfreie Zeit –, sondern eine Viertelstunde Fußweg entfernt vom Regierungsviertel, im Plenarsaal des Verwaltungsgerichts Berlin.

Als Klägerin und als Beklagte saßen sich Partei und Bundestagsverwaltung einen Vormittag lang gegenüber, als die 2. Kammer die Verwaltungsstreitsache VG 2 K 170.19 mündlich verhandelte. Im April vergangenen Jahres hatten die Parlamentsjuristen der AfD eine Strafzahlung in Höhe von 269.400 Euro aufgebrummt. Der Betrag entspricht genau dem Dreifachen des Werts einer Werbeaktion, die im baden-württembergischen Landtagswahlkampf 2016 dem damaligen Spitzenkandidaten Jörg Meuthen zugute kam. Gegen diesen Saktionsbescheid hatte die AfD geklagt. 

Denn die Faltzettel, Plakate und Anzeigen seien keine Partei-, sondern eine Sachspende zugunsten des Kandidaten gewesen. Produziert von einem Dritten, dem Meuthen-Freund Alexander Segert und seiner Firma Goal AG. Auf die inhaltliche Gestaltung hätten weder die AfD noch Meuthen Einfluß genommen, so die Argumentation der klagenden Partei. Der beklagte Bundestag habe demzufolge eine unverhältnismäßige Sanktion erlassen.

Der Wahlkampf im Südwesten sei seinerzeit „hemdsärmelig“ geführt worden, meinte der persönlich erschienene Meuthen rückblickend in der Verhandlung. Unerfahren und noch nicht so professionell wie heute sei man gewesen, jeder habe da so sein Ding gemacht, wie bei einem  politischen „Start-up“ sei es zugegangen. Und als ihm sein Bekannter, der Marketingexperte Segert, eher „en passant“ beim Kaffeetrinken angeboten habe, nicht nur eine Internetseite einzurichten, sondern auch ein paar Flyer und Plakate mit Meuthens Konterfei zu drucken, da habe er gesagt: „Mach!“ Er sei von einem Freundschaftsdienst ausgegangen. Um Details habe er sich gar nicht so kümmern können, räumt Meuthen entschuldigend ein. „Ich war Landesvorsitzender, Bundessprecher, voll berufstätig an der Hochschule und bin im ganzen Land zu Wahlkampfveranstaltungen mit dem eigenen Auto umhergereist.“ Erst als der Presse die Kosten der Kampagne durchgestochen worden waren, so meint der Parteivorsitzende, sei ihm überhaupt bewußt geworden, um welche Summen es dabei ging; und daß nicht Segert, sondern mehrere Geldgeber die Sache finanziert hatten. „Da war ich echt geschockt!“

Doch Unwissenheit – oder Streß – schützt vor Strafe nicht. Und so entschied die Kammer, daß es sich bei den Werbemaßnahmen 2016 um Spenden im Sinne des Gesetzes handelte. Die Annahme der Spende sei rechtswidrig gewesen, da die Spender „nicht feststellbar“ waren. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Verfahrens, so hatte es die Vorsitzende bereits am Beginn der Verhandlung bedeutet, wurde eine Berufung zugelassen.