© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/20 / 17. Januar 2020

Wohlstand aus der Nordsee
Norwegen: Das neue Riesenölfeld „Johan Sverdrup“ reicht bis in die 2070er Jahre
Marc Schmidt

Der in 36 Ländern aktive und staatlich dominierte norwegische Energiekonzern Equinor setzt weiter auf die Ausbeutung heimischer Öl- und Gasvorkommen. Das 2019 eröffnete Nordsee-Ölfeld „Johan Sverdrup“ ist mit Reserven von 2,7 Milliarden Barrel die größte Exploration unter den 87 norwegischen Anlagen. Es soll bis weit über das Jahr 2070 hinaus den norwegischen Export von Öl und Gas sichern. Das geht aus dem Jahresbericht der Erdöldirektion (OD) hervor.

Dabei werden sowohl bereits stillgelegte Förderungen mittels der weiterentwickelten Technik reaktiviert als auch weitere Großvorkommen ausgebeutet. Mit dem Feld „Johan Castberg“ beginnt 2022 die Ausbeutung von 560 Millionen Barrel Ölreserven. Die Mitte-Rechts-Regierung von Erna Solberg handelt dabei pragamatisch: Das 5,3-Millionen-Einwohner-Land ist mit einem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von 77.975 Dollar (Deutschland: 46.563 Dollar/IWF-Berechnung) das drittreichste Land der Welt – dank Öl und Gas.

Die ökologisch riskante Ausbeutung der Ölfelder vor den Lofoten, Vesterålen und Senja wurde hingegen nicht genehmigt. Die anderen Reserven reichen aus, um weiter für etwa zwei Prozent der Weltölförderung zu sorgen. Norwegen nutzt seinen Rohstoffreichtum zudem fast ausschließlich zum Export. Seinen Strom bezieht der achtgrößte Erdgasproduzent der Welt (BP-Ranking 2018) vor allem aus Erdwärme, Wasserkraft und Windenergie. Im Verkehrsbereich haben die Norweger in den vergangenen fünf Jahren etwa 300.000 teure Elektro- und Hybridautos importiert – dank umfassender staatlicher Förderung und exorbitanter Steuern sowie diverser Schikanen für Benziner und Dieselautos.

Ein Volksvermögen von 188.000 Euro pro Norweger

Während 2025 alle Neuwagen E-Autos sein sollen, um im Verkehr „CO2-Neutralität“ zu erreichen, werden Bodenschätze gleichzeitig konsequent gesucht und abgebaut. Equinor betreibt zudem Windenergieanlagen in Großbritannien und ist an weiteren Projekten in Polen und den USA sowie am Windpark Arkona vor der Insel Rügen beteiligt.

Die Einnahmen fließen seit Jahrzehnten in den staatlichen Pensionsfonds. Angesichts der „fossilen“ Exporterlöse und einer Durchschnittsverzinsung der Aktien, Anleihen und Immobilien von mehr als sechs Prozent wächst der Fonds kontinuierlich, er ist der größte Aktionär der Welt. Das Fondsvolumen lag im Oktober 2019 bei umgerechnet einer Billion Euro. Dieses Volksvermögen aus Energieträgerexporten entspricht etwa 188.000 Euro pro Norweger. Die deutsche Staatsverschuldung pro Einwohner beträgt hingegen 23.000 Euro.

Auch bei der Auswahl der Fondsanteile zeigt sich Pragmatismus. Der Staatsfonds war einer der ersten institutionellen Anleger der Welt, der alle Investments in die Industriezweige Rüstung, Tabak und Alkohol veräußerte. Die Firmen, in die der Fonds strategisch investiert, werden seit Jahren zu einer Bekämpfung von Kinderarbeit, Korruption und Steuerhinterziehung in der gesamten Lieferkette angehalten. Zugleich hat die Regierung, zu der die rechte Fortschrittspartei gehört, deren Ministerinnen die menschengemachte Klimakatastrophe anzweifeln, dem Fonds eine „Dekarbonisierung“ aufgezwungen: Es wurden alle Beteiligungen an Energieunternehmen veräußert, die mehr als 30 Prozent der vertriebenen Energie aus Kohlekraftwerken beziehen. 

Während in anderen Ländern die Klimahysterie grassiert, befürwortet eine Mehrheit der Norweger die Ausweitung der Erdölgewinnung, nur knapp ein Viertel lehnt diese ab. Daß auch im Ausland wenig Negatives über die norwegische Politik zu lesen ist, mag auch an dem strategischen Geschick des größten Fonds der Welt bei der Auswahl der Investitionsobjekte liegen. In Deutschland gehört dem Fonds neben zahlreichen Investitionen in Dax-Unternehmen und in der Immobilienbranche unter anderem sogar das neue Axel-Springer-Bürogebäude im Berliner Bezirk Mitte.

 npd.no/