© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/20 / 17. Januar 2020

„Ibiza lebt!“
Österreich: Die Funke-Mediengruppe und Herausgeber Dichand kämpfen um die „Kronen Zeitung“
Ronald Berthold

Die deutsche Funke-Mediengruppe beansprucht die „alleinige Kontrolle“ über die österreichische Kronen Zeitung. Mit einer Reichweite von zwei Millionen ist es das auflagenstärkste Blatt der Alpenrepublik. Eine zentrale Rolle in dem Machtkampf spielt einer der reichsten Männer des Landes, der Immobilienunternehmer René Benko. Dessen Nähe zu Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und eine Anti-FPÖ-Kampagne nähren Gerüchte über eine politische Intrige. Die in die Zange genommene Gründerfamilie Dichand wehrt sich.

Die Strache-Affäre kehrt zurück

Die Funke-Gruppe, der 13 Tageszeitungen (u.a. Berliner Morgenpost, Hamburger Abendblatt, Westfalenpost) und diverse Zeitschriften (u.a. Hörzu, Bild der Frau, Das goldene Blatt) gehören, hat gegenüber Österreichs Wettbewerbsbehörde einen „Wechsel von gemeinsamer zu alleiniger Kontrolle“ über die Krone angemeldet. Die Erben des Gründers Hans Dichand – seine Frau sowie die Kinder Christoph, Johanna und Michael – kündigten an, alle Mittel gegen die „Machtergreifung“ auszuschöpfen und Funke aus dem Unternehmen herauszuklagen.

Hintergrund: 1987 hat die zu Funke gehörende „WAZ Ausland Holding GmbH“ 50 Prozent der Anteile an der Boulevardzeitung erworben. Nach dem Tod des Gründers Hans Dichand 2010 ging die andere Hälfte zu je 12,5 Prozent an seine Erben. Funke behauptet plötzlich, daß Zahlen hinter dem Komma laut Gesellschaftervertrag nicht mitzählten und den Dichands daher nur 48 Prozent der Stimmrechte zustünden. Der Essener Konzern will mit diesen „juristischen Winkelzügen“, wie es Christoph Dichand nennt, den vollen Einfluß über Österreichs wichtigstes Medium erreicht haben. 

Nun kommt René Benko ins Spiel. Denn dem 42jährigen Milliardär gehören 49 Prozent der Funke-Anteile, die er im November 2018 mit seinem Immobilien- und Handelsunternehmen Signa Holding kaufte. Seitdem versucht er, die Macht über die Krone zu gewinnen. Besonders pikant: In dem illegal aufgezeichneten „Ibiza-Video“ hatte der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache genau dies angekündigt. Die Aufnahme stammt vom Juli 2017, Süddeutsche Zeitung und Spiegel veröffentlichten sie aber erst im Mai 2019, kurz vor der Europawahl.

Strache hatte dem Lockvogel, einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte, gesagt, sie solle sich 50 Prozent der Boulevardzeitung sichern. Und er prophezeite: Ein zweiter Eigentümer, nämlich René Benko, werde über die Funke-Gruppe ebenfalls Teile der Kronen Zeitung übernehmen. Im Video ist zu hören, wie der Politiker erzählt, sich mit dem Investor bereits auf dessen Yacht getroffen und über seine Pläne gesprochen zu haben.

Dies wirft zwei Fragen auf. Erstens: Wie konnte Strache über einen Deal Bescheid wissen, der erst anderthalb Jahre später stattgefunden hat? Sehr wahrscheinlich ist, daß es sein Treffen mit Benko tatsächlich gegeben hat – auch wenn der zwischenzeitliche Vizekanzler dies nach der Veröffentlichung des Videos als „schlichte Prahlerei“ abtat.

Benko ist politisch gut vernetzt. Österreichische Medien zählen ihn zum inneren Zirkel um Kanzler Kurz. Der Milliardär soll auch zu dessen Großspendern gehören; in den veröffentlichten Bilanzen der ÖVP tauchen jedoch keine Zuwendungen Benkos auf. Umgekehrt hat Kurz Benko bei einem Geschäft mit einem von der Pleite bedrohten österreichischen Möbelkonzern geholfen. Benko konnte dadurch, daß der Kanzler veranlaßte, ein Bezirksgericht zwischen Weihnachten und Silvester 2017 aufzuschließen und einen leitenden Beamten aus dem Urlaub zurückholen, von dem Einrichtungshaus eine Immobilie im Rekordtempo erwerben. Er zahlte 60 Millionen Euro, obwohl es ein anderes Angebot über 90 Millionen gegeben haben soll. Kurz rechtfertigte dies mit der Rettung von Arbeitsplätzen. Das Möbelhaus brauchte dringend Geld. Inzwischen hat Benko es komplett geschluckt.

Während Strache damals darauf hoffte, Benko könnte die FPÖ durch die Zeitungs-Übernahme medial unterstützen, spielt dieser wohl auf Kurz’ Seite. Mit der Veröffentlichung des Videos brach der Kanzler die Koalition mit den Freiheitlichen und regiert nun mit den Grünen. Auffällig: Nachdem die Krone über Jahrzehnte die FPÖ neutral bis wohlwollend begleitete, hat sie laut einer Analyse des Magazins Freilich vom 18. Mai bis 25. November 2019 fast nur negativ berichtet. Die Studie spricht von einer „Kehrtwende der Ausrichtung“.

Das führt zur zweiten Frage: Steht hinter der „Machtübernahme“ gar nicht Funke, sondern René Benko und mit ihm Sebastian Kurz? Benko will nun gar alle Funke-Anteile übernehmen und die Erben aus der Krone drängen. Für Christoph Dichand ist das Ganze eine Verschwörung. Er meint: „Ibiza lebt!“