© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/20 / 17. Januar 2020

9. November 1938: Plünderer vor dem Schnellgericht
Männer stehlen, Frauen hehlen
(dg)

In der sogenannten „Reichskristallnacht“ am 9. November 1938 kam es auf Anordnung der NS-Führung in ganz Deutschland zu zahlreichen Angriffen auf jüdische Einrichtungen, zu Brandstiftungen, Tötungen und tätlichen Angriffen. Dabei seien aber, worauf der Berliner Historiker Willi Schrenk in einer Studie aufmerksam macht (Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 10/2019), Plünderungen formell ausdrücklich untersagt worden. Über den Grund dieses Verbots von Diebstählen ließ sich bislang nur spekulieren. Möglich sei, daß der Eindruck der Rechtsstaatlichkeit der Gewaltaktionen und damit der NS-Judenpolitik aufrechterhalten werden sollte. Ob daher Plünderungen juristisch wirklich geahndet wurden, ist zeithistorisch nicht erforscht. Schrenk schließt diese Lücke durch seine Auswertung von Akten der Berliner Schnellschöffengerichte. Polizeiliche und staatsanwaltliche Verfolgung fand demnach tatsächlich in relativ großem Umfang statt. „Die absolute Mehrheit“ der Täter und Täterinnen kam aus den unteren Einkommensschichten. Geschlechtsspezifisch aufgeschlüsselt, verraten die Akten, daß Frauen sich weniger an Plünderungen beteiligten, aber „bedeutend häufiger der Hehlerei beschuldigt wurden“. Bemerkenswert sei der hohe Anteil vorbestrafter Angeklagter, gegen die härtere Urteile ergingen, während die Masse mit politisch erwünschter kurzer Haft davonkam. 


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