© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/20 / 17. Januar 2020

Frisch gepresst

Oderbruch. Es ist eine gemischte Bilanz, die Hans-Jürgen Schmelzer im dritten Teil seiner persönlichen Oderbruchgeschichte über das Schicksal einer Gutsbesitzerfamilie zieht. Nach Enteignung, Flucht aus der DDR und jahrzehntelangem Leben fern der Heimat fiel die Entscheidung schließlich 2004, als der Europäische Gerichtshof sich für die Opfer der erzwungenen Bodenreform in der SBZ für nicht zuständig erklärte. Einerseits das Gefühl, als ostelbischer Gutsbesitzernachkomme im wiedervereinigten Deutschland als Mensch zweiter Klasse zu gelten, andererseits doch irgendwo die Erleichterung darüber, daß ein „schwerer, womöglich giftgemischter Kelch“ an ihm vorübergegangen war. Als 1938 in Frankfurt (Oder) geborener einstiger Gymnasiallehrer im Westen war Schmelzer seinerzeit im Rentenalter angekommen. Die Zeit, in der er sein Leben nochmals völlig umgestellt hätte, um sich dem seiner Familie entrissenen Gut anzunehmen, war vorbei. In „Verwaiste Felder“ setzt der Autor den Fokus daher statt auf seine Familie auf die Geschichte des Orts Sachsendorf von der Nachkriegszeit und den folgenden vier Jahrzehnten DDR über die Wiedervereinigung bis in die Gegenwart fort. (krk)

Hans-Jürgen Schmelzer: Verwaiste Felder. Schicksale im Oderbruch nach 1945. Bebra Verlag, Berlin 2019, gebunden, 272 Seiten, 22 Euro





Architektur. Berliner Stadtschloß, Schinkels Bauakademie, Kommandantur und zuletzt die Pläne, zwischen Spree und Fernsehturm den bis 1945 freigebombten Raum des „Marx-Engels-Forums“ wieder zu bebauen: die Liste der Projekte, die dem DDR-Chefarchitekten Bruno Flierl widerstreben, dürfte immer länger werden. Für den 1927 geborenen überzeugten Marxisten sind das nur „Zurückbauten in die Vergangenheit“, die seinen städtebaulichen Anschauungen frontal entgegenstehen. Immerhin war der langjährige Vorsitzende der Ost-Berliner Arbeitsgruppe „Architektur und bildende Kunst“ wortmächtiger Gegner des Schloßneubaus an Stelle des „Palastes der Republik“. In einem Interviewband nimmt Flierl auch jenes Projekt in Schutz, das als Prototyp sozialistisches Bauen in Mißkredit brachte. Zwar sei die „Platte“ keine Ideallösung gewesen, aber immerhin ein probates Mittel, um „die Verwirklichung des universellen Menschenrechts auf eine bezahlbare Wohnung“ zu gewährleisten. (bä)

Bruno Flierl: Haus. Stadt. Mensch. Über Architektur und Gesellschaft. Verlag Das Neue Berlin, Berlin 2019, broschiert, 287 Seiten, 19,99 Euro