© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/20 / 17. Januar 2020

Knapp daneben
Die Verantwortung der Großeltern
Karl Heinzen

Ich liebe meine Enkel. Aber es stört mich, wenn einfach grundsätzlich erwartet wird, daß alle Großeltern Kinder betreuen.“ Was die 70jährige Ruth Fries aus dem Kanton Zürich moniert, ist eine Grundsatzfrage, die in der Schweiz leidenschaftlich diskutiert wird. Wie drängend sie ist, zeigt ein Blick auf die Zahlen. Zwei Drittel der Schweizer Haushalte mit Kindern nehmen externe Unterstützung in der Betreuung der Kleinen in Anspruch. In den meisten Fällen sind es die Großeltern, die einspringen. Dem eidgenössischen Bundesamt für Statistik zufolge summierte sich ihr Zeitopfer im Jahr 2016 auf 160 Millionen Stunden. Legt man den von den Gewerkschaften geforderten Mindestlohn von 22 Franken pro Stunde zugrunde, waren diese Dienstleistungen monetär mit 3,52 Milliarden Franken zu bewerten. Gäbe es hierfür einen regulären Arbeitsmarkt, dürfte der Betrag deutlich höher ausfallen, da Erschwerniszuschläge hinzuzurechnen wären.

In volkswirtschaftlicher Betrachtung sind Kinder Konsumgüter, die sich die Eltern gönnen.

Trotz dieser Faktenlage lehnt eine Mehrheit der Schweizer eine wie auch immer geartete Entschädigung der Betroffenen ab. Dieses Meinungsbild zu ändern, ist Ruth Fries mit ihrer Initiative „GroßmütterRevolution“ angetreten. Sie stellt zwar nicht in Abrede, daß es in Familien über die Generationenschranken hinweg gelegentlich auch emotionale Bindungen gibt, wovon insbesondere die niedlichen Kleinen profitieren. Die Gefühlsseligkeit darf jedoch nicht dazu führen, daß die ökonomische Vernunft aussetzt. Genau diese gebietet allerdings eine ganz andere Schlußfolgerung, als sie Ruth Fries und ihre Mitstreiterinnen ziehen. In volkswirtschaftlicher Betrachtung sind Kinder Konsumgüter der Eltern. Wer sich welche gönnt, hat daher für die Kosten aufzukommen. Diese Verpflichtung endet aber nicht bereits dann, wenn der Nachwuchs auf eigenen Beinen zu stehen gelernt hat. Kinder bekommen nämlich mitunter ihrerseits Kinder, und dies ist ihnen nur möglich, weil sie einst selbst zur Welt gekommen sind. An der Existenz ihrer Enkelkinder sind Großeltern somit keineswegs unbeteiligt. Daher ist es auch nicht zuzulassen, daß sie sich aus der Verantwortung stehlen.