© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/20 / 24. Januar 2020

Die Stunde der Heuchler
Gewalt: Bei Angriffen auf Kommunalpolitiker der AfD schaut man gerne weg
Hans-Hermann Gockel

Der SPD-Bürgermeister von Kamp-Lintfort in Nordrhein-Westfalen beantragt den großen Waffenschein, um sich vor „rechter Gewalt“ schützen zu können. Durch wen und was er sich konkret bedroht fühlt, weiß die Öffentlichkeit bis heute nicht. Sein bizarres Ersuchen wurde zu Recht abgelehnt. Die Klage zog der Bürgermeister zurück.

Kamp-Lintfort liegt nicht im Wilden Westen und der Bürgermeister hat zwar eine Amtskette, aber keinen Sheriff-Stern. Immerhin: NRW-Innenminister Herbert Reul bietet dem Kommunalpolitiker bis auf weiteres Personenschutz an, um „die Sache zu beruhigen“. Unterstellt man dem SPD-Bürgermeister, daß er eine tatsächliche Bedrohung bewußt aufgebauscht hat, um – wie er selbst sagt – auf ein „gesellschaftliches Problem aufmerksam zu machen“, dann ist ihm der PR-Gag mit der Beantragung des Führens einer scharfen Waffe glänzend gelungen.

Das „anständige Deutschland“ (Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier) sollte sich geschlossen gegen Haß und Hetze stellen. Was für eine Heuchelei von einem Mann, der mit seinen Aussagen über die AfD Hetze auf hohem Niveau betreibt.

Von den politischen Würdenträgern dieses anständigen Deutschlands ist andererseits bis heute nichts zu hören, wenn die Antifa ihre Gewaltorgien gegen Kommunalpolitiker der AfD auslebt und anschließend im Internet damit prahlt. Der SPD-Politiker Heiko Maas nennt Angriffe von rechts „widerlich und feige“. Kommen die Attacken von links und treffen mit Vertretern der AfD anscheinend „die Richtigen“, dann wartet man auf eine solche Reaktion des Bundesaußenministers und ehemaligen Justizministers vergeblich.  

Die Justizbehörden des Bundes sind seit Jahren in der Hand der SPD. Es ist beschämend, daß die Politiker dieser Partei nicht in der Lage sind, die Macher menschenverachtender Internetseiten aus dem Verkehr zu ziehen. So dürfen sich die Linksextremisten und deren Sympathisanten aus dem links-rot-grünen Lager bis heute an Einträgen wie dem folgenden auf der Internet-Seite de.indymedia.org ergötzen: „Aus Angst vor weiteren Übergriffen suchte sich der 2. stellvertretende Vorsitzende des AfD-Kreisvorstandes Dresden einen ‘sicheren’ Parkplatz für seinen Pkw. Dies half nichts. Gestern haben wir in einer Tiefgarage in der Dr.-Friedrich-Wolf-Straße 26, wo Hans-Jürgen Zickler einen Parkplatz angemietet hat, die Scheiben seines weinroten VW-Busses eingeschlagen und auf der Heckscheibe eine Botschaft hinterlassen.“

Auch auf loslegen.blackblogs.org werden Farbanschläge auf Wohnungen, Eigenheime und Büros von AfD-Kommunalpolitikern dokumentiert. Daß SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil nun ein Krisentreffen für mehr Schutz von Politikern plant und als einziger Fraktion der AfD keine Einladung zuschickt, läßt einen ratlos zurück.

Nahezu jede zweite politische Gewalttat gegen Parteien in Deutschland richtet sich inzwischen gegen die AfD. Geradezu zynisch klingt da die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag: „Seitens der Bundesregierung können Anzeichen dafür, daß es sich bei den Angriffen um eine systematische Form der Einschüchterung beziehungsweise Bedrohung (…) handelt, nicht bestätigt werden.“

Wenn es darum geht, die AfD in der öffentlichen Diskussion fair zu behandeln, stößt im übrigen die Haltung der vielen „Haltungsjournalisten“ hier in Deutschland sehr schnell an die selbst verordneten Grenzen. Beim ZDF zum Beispiel gilt nach wie vor die Parole, die der damalige stellvertretende Chefredakteur Elmar Theveßen am Abend der Bundestagswahl in seinem Kommentar über den Sender schickte: „Für diese Demokratie ist die AfD eine ernste Gefahr.“ Theveßens Vorgabe ist der Persilschein für einen ganz Smarten, der in seiner Talkshow auffallend häufig ausgewiesenen AfD-Hassern ein Forum bietet. Dann schlägt auch dort die Stunde der Heuchler. Markus Lanz hatte den SPD-Bürgermeister einer kleinen, niedersächsischen Gemeinde eingeladen.

Der hatte „angesichts massivster persönlicher rechter Anfeindungen, Bedrohungen und Diffamierungen“ nach acht Jahren im Amt seinen Hut genommen. Es dauerte einige Zeit, bis der Zuschauer endlich erfuhr, was dem guten Mann tatsächlich widerfahren war: Ein paar blöde Telefonanrufe unbekannter Herkunft, dumme Sprüche per Post, ebenfalls anonym, und, ja, sogar Hakenkreuze, die irgend jemand mit dem Finger auf den verdreckten Lack vom Auto des Bürgermeisters gemalt hatte. Ein nasser Schwamm dürfte dem Nazi-Spuk seinerzeit ein schnelles Ende bereitet haben.

Die Probleme hätte ich gerne, wird sich mancher AfD-Kommunalpolitiker gedacht haben, dem die Antifa das Haus „verschönert“, die Fenster „entglast“ oder gar das Auto abgefackelt hatte. Die Sendung dümpelte zäh vor sich hin, aber Lanz hatte noch ein As im Ärmel.

Olaf Sundermeyer, als Experte für „Rechtsradikalismus und Rechtsextremismus“ vorgestellt, durfte minutenlang gegen die AfD hetzen und ihr unterstellen, Kommunalpolitiker regelrecht aus den Ämtern zu jagen: „AfD-Sympathisanten oder andere Verirrte aus dieser national-populistischen Bewegung“ seien dabei die „Erfüllungsgehilfen“.

Alles, was der von Lanz hofierte Experte dazu in der Sendung von sich gab, blieb zwar schwammig und fern jeder Faktenlage. Aber der Moderator war hochzufrieden: „Das ist alarmierend, wenn man so etwas hört!“ 1,4 Millionen Zuschauer hatte die Lanz-Sendung an jenem Donnerstagabend. Wie viele davon der medialen Gehirnwäsche erlagen, wird man nie erfahren.






Hans-Hermann Gockel war 24 Jahre lang Nachrichtenmoderator bei Sat.1 und N24.