© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/20 / 24. Januar 2020

Johann Krieten. Der Richter wird nach Urteilen gegen Chaoten Ziel von Linksextremisten.
„Richter Knallhart“
Jan Martens

Geht das wachsende Problem der Drohungen gegen Amtsträger nur vom Rechtsextremismus aus? Den Eindruck muß gewinnen, wer der aktuellen Debatte folgt – auch weil ein Fall wie der des Bürgermeisters von Kamp-Lintfort zu Recht zum bundesweiten Thema wird, der des Amtsrichters Johann Krieten aber „Lokalposse“ bleibt.

Der Hamburger fiel in den letzten Monaten durch eine konsequente Rechtsprechung auf, die ihm in der Presse der Hansestadt den Spitznamen „Richter Knallhart“ einbrachte. So verurteilte er zwei G20-Randalierer wegen Flaschenwürfen auf Polizisten zu dreieinhalb und zu vier Jahren ohne Bewährung – weit mehr als der Staatsanwalt gefordert hatte. Das begründete er mit der präventiven Wirkung: Es müsse „klare Ansagen“ geben, damit es nicht zu weiteren Gewaltorgien komme. Im Gerichtssaal warnte Krieten zudem davor, dort Kaugummi zu kauen, eine Mütze zu tragen oder Verfahrensbeteiligte mit „Du“ anzusprechen und drohte mit Ordnungsgeld.

Bereits vor Weihnachten riefen linksradikale Gruppe deshalb dazu auf, ihn zu Hause zu besuchen und ihm „beschwingt“ zu verstehen zu geben, daß man mit der „Ausgestaltung seines Berufes nicht einverstanden“ sei. Nicht nur der Richterbund schlug Alarm, selbst der grüne Justizsenator Till Steffen warnte, daß „eine rote Linie“ überschritten sei: Es handele sich „ganz klar (um) Einschüchterung“ und „Einflußnahme auf richterliche Entscheidungen“. Und daß „kaum verhohlen zu Gewalt aufgerufen“ werde, sei eine „völlig neue Eskalationsstufe“.

Dabei ist Krieten nicht einmal das, was man gemeinhin unter einem „rechten Hardliner“ versteht, selbst wenn die als linksextrem geltende Organisation „Rote Hilfe“ ihn so bezeichnet. Der 63jährige, Richter seit 1990, hält Forderungen nach härteren Strafen für unsinnig, da der Strafrahmen ausreichend sei, und er rät, zu erziehen statt einzusperren. Als Jugendrichter in Hamburg-St. Pauli sprach er seine Urteile nach eben diesem Grundsatz. In linken Kreisen galt Krieten als moderat. Selbst einige Verfahren gegen Angehörige der linksextremen Szene beendete er mit Freispruch, und für den Szene-Anwalt Andreas Beuth trat er 2011 sogar als Entlastungszeuge auf.

Die taz spekuliert, Krietens Vita habe 2014 durch ein Verfahren gegen Hausbesetzer „einen Knacks“ bekommen. Einer der Beteiligten sei sein Sohn gewesen. Und spätestens seit den Verfahren gegen die G20-Chaoten von 2017 rückte er in den Fokus gewaltbereiter Linker. 

Krieten selbst schweigt. Anders als der Ende der neunziger Jahre in Hamburg als „Richter Gnadenlos“ bekannt gewordene Ronald Schill hält er sich außerhalb des Gerichtssaals mit politischen Äußerungen zurück. Und doch, eine Gemeinsamkeit gibt es: Wie bei Schill haben Krietens Urteile zwar Signalwirkung, doch meist kassiert sie die nächste Instanz und schraubt das Strafmaß deutlich nach unten.