© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/20 / 24. Januar 2020

Ländersache: Bayern
Eine neue Münchner Freiheit
Thorsten Brückner

Für Markus Söder läuft es derzeit richtig rund. Mehr als zwei Drittel der Bayern (67 Prozent) zeigen sich laut dem aktuellen Bayerntrend zufrieden mit seiner Arbeit als Ministerpräsident. Das sind zwölf Prozentpunkte mehr als noch im Januar 2019. Auch seine Partei hat sich in Umfragen auf einem niedrigen Wert stabilisiert, und sogar die Koalition mit den Freien Wählern hätte derzeit weiterhin eine Mehrheit. 

Der richtige Zeitpunkt also für einen großen Wurf. „Landesstrategie Bayern 2030“ nennt Söder das Konzept, das er vergangene Woche bei der Winterklausur der Landtagsfraktion im Kloster Seeon vorstellte. 13.200 neue Studienplätze will die Landesregierung etwa an den Universitäten im Freistaat schaffen – vor allem in der Informatik sowie der Luft- und Raumfahrt. Auch die während seiner Zeit als Finanzminister von ihm eingeleitete Dezentralisierung der Verwaltung wird fortgesetzt. Rund 3.000 Behördenplätze sollen aus München in ländliche Regionen verlegt werden. 

Doch überlagert wurde die Vorstellung des Papiers von einem einzigen Punkt: Die Landeshauptstadt München soll bis 2025 ein eigener Regierungsbezirk werden. Dafür setzt Söder eine Kommission unter Vorsitz von Innenminister Joachim Herrmann ein. Diese muß nun zum Beispiel prüfen, ob die Ausgliederung der Landeshauptstadt eine Verfassungsänderung notwendig macht. Auch die Größe des neuen Bezirks ist noch unklar. Soll dieser an der Stadtgrenze enden oder auch den Landkreis München – immerhin der einwohnerstärkste Landkreis im Freistaat – umfassen? 

Das Land hätte dann nach dem Willen Söders wie bis zur Abtrennung der bayerischen Pfalz 1946 wieder acht statt sieben Regierungsbezirke. Verwaltungszentren des dann immer noch größten Bezirks Oberbayern sollen Rosenheim und Ingolstadt werden. Von der Einwohnerzahl wäre die Stadt „Minga“ dann nach Oberbayern, Schwaben und Mittelfranken immerhin noch der viertgrößte Bezirk. 

Daß der Ministerpräsident mit seiner Ankündigung Freund und Feind überrumpelt hat, zeigt sich an den Reaktionen. „Ich bin von den Plänen über die Umstrukturierung der Regierung von Oberbayern völlig überrascht“, kommentierte die oberbayerische Regierungspräsidentin Maria Els Söders Pläne. Diese gingen ihr „persönlich auch sehr nahe“. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) – anscheinend ebenfalls nicht in Söders Vorstoß eingeweiht – will erstmal die Begründung der Landesregierung abwarten. Er stelle sich die Frage, was dies für die Bezirksumlage bedeutet, die München an Oberbayern zahlt. Die Aufgaben der bayerischen Bezirke sind überschaubar. Die von der Landesregierung ernannte Bezirksregierung kümmert sich etwa um die Prüfung von Fahrlehrern oder die Schul- und Bauaufsicht. Der vom Volk gewählte Bezirkstag nimmt vor allem kulturelle Aufgaben wahr. 

Aber auch wahlrechtlich hätte die administrative Neugliederung Konsequenzen. Für die Landtagswahlen stellen die Parteien im Freistaat Bezirkslisten auf, eine Landesliste gibt es nicht. Und Parteien, die bei der vergangenen Wahl weniger als 1,25 Prozent der Stimmen errungen haben, müssen in jedem einzelnen Bezirk Unterschriften sammeln, um dort auf dem Wahlzettel zu stehen.