© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/20 / 24. Januar 2020

Klar Schiff machen
Rüstung: Die Marine bekommt ein neues Flaggschiff, das für zahlreiche Szenarien einsetzbar ist / Kritik an Auftragsvergabe nach Holland
Peter Möller

Die Deutsche Marine wächst. Nicht nur die Zahl der Schiffe soll sich in den kommenden Jahren erhöhen, die schwimmenden Einheiten werden auch deutlich größer. Bereits in den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Größe der Hauptkampfschiffe, der Fregatten, fast verdoppelt. Hatten die in den achtziger Jahren gebauten acht Fregatten der Bremen-Klasse noch eine Verdrängung von 3.680 Tonnen, haben die Schiffe der aktuellen Baden-Württemberg-Klasse bereits eine Verdrängung von 7.200 Tonnen.

Und es geht nach größer: Vergangene Woche teilte das Verteidigungsministerium mit, daß der Auftrag für den Bau des geplanten Mehrzweckkampfschiffs (MKS) 180 an die niederländische Damen-Werft geht, die sich im Vergabeverfahren gegen die Kieler German Naval Yards durchgesetzt hat. Der Auftrag für die zunächst vier geplanten Schiffe der neuen Klasse, die jeweils über eine Länge von rund 155 Metern und eine Wasserverdrängung von bis zu 9.000 Tonnen verfügen werden, hat ein Volumen von 5,4 Milliarden Euro.

Ein schwimmendes  „Schweizer Armeemesser“

Der Grund für die Größe der Schiffe: Damit das MKS 180 möglichst vielseitig eingesetzt werden kann, soll es über mehrere Module verfügen, die bei Bedarf mit geringem Aufwand ausgebaut und gewechselt werden können. Die Marine verspricht sich von dem neuen Konzept eine größere Flexibilität. Zunächst sind nach Angaben der Marine zwei Module in Planung: Das Missionsmodul „Anti-Submarine-Warfare-Lagebild“ dient der Jagd auf U-Boote. „Mit Bordhubschraubern und den eigenen Sonaren – im Verbund mit den Sensoren verbündeter Aufklärungsflugzeuge und Unterseeboote – kann das Schiff ein großes Seegebiet sicher gegen Gefahren aus der Tiefe machen“, heißt es dazu auf der Internetseite der Marine. Das Modul „Gewahrsam“ dagegen mache das Schiff zu einem schwimmenden Stützpunkt für Anti-Piraterie-Missionen. „Mehrere Zellenräume erlauben es, Personen vorübergehend in Gewahrsam zu nehmen; eine zusätzliche Sanitätsstation macht ärztliche Untersuchungen unter Quarantänebedingungen möglich.“ 

Andere Module seien bereits in Planung, darunter eines, das mit einer Taucherkammer und weiteren Spezialgeräten für die Minenjagd ausgestattet ist. Schon jetzt wird das Schiff, dessen Planungen bis ins Jahr 2009 zurückreichen, aufgrund der vielfältigen Anforderungen als „Schweizer Armeemesser“ der Marine bezeichnet. Das skizzierte Fähigkeitsprofil ist umfangreich: „Selbstverteidigung und Kampfeinsätze, Erstellung eines Maritimen Lagebildes über und unter Wasser, Seeraumüberwachung und Embargokontrolle, inklusive Boarding, Militärische Evakuierung in Krisensituationen, Begleitschutz für Handelsschiffe, Führung von Einsatzverbänden in See.“

Zudem soll das MKS 180 weltweit in jeder Klimazone einsetzbar sein und auch in Gewässern mit Eisbildung operieren können. Dabei soll das Schiff bis zu zwei Jahre am Stück fern der Heimat im Einsatz bleiben können, bevor es zur Wartung in die Werft muß. Als Stammbesatzung sind 110 Mann vorgesehen, zusätzlich ist, je nach Einsatzprofil, für 70 weitere Besatzungsmitglieder Platz.

Trotz der Vergabeentscheidung des Verteidigungsministeriums ist derzeit noch unklar, wann mit dem Bau begonnen werden kann. Denn die Vergabe des Auftrags an ein ausländisches Unternehmen hat nicht nur in der deutschen Werftindustrie zu Unmut geführt. „Für das bisher größte Rüstungsprojekt der Deutschen Marine wäre es wichtig gewesen, daß die Bundesregierung auf das vorhandene Knowhow in Deutschland setzt“, sagte der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther (CDU), dem NDR. Es sei aus sicherheits- und industriepolitischer Sicht schwer nachzuvollziehen, wie diese Entscheidung zu Beschlüssen der Bundesregierung und der Verabredung im Koalitionsvertrag von Union und SPD passen solle, den Überwasserschiffbau als Schlüsseltechnologie einzustufen.

Angesichts dieser Stimmungslage ist es immerhin ein Trostpflaster, daß die Schiffe gar nicht in den Niederlanden, sondern unter Federführung der „Damen Shipyards Group“ in Kooperation mit der deutschen Lürssen-Werft bei Blohm und Voss in Hamburg gebaut werden sollen. Rund 70 Prozent der Fertigung könnten den Angaben zufolge in Deutschland erfolgen. Dennoch kündigte am Montag die unterlegene German Naval Yards an, gegen die Vergabeentscheidung des Verteidigungsministeriums zu klagen. „Wir haben erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung und werden deshalb alle juristischen Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, ausschöpfen“, teilte ein Sprecher der Werft mit.

Gesetzesänderung soll bereits in Arbeit sein

Und auch auf politischer Ebene tut sich etwas. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat am Wochenende im CDU-Präsidium nach Angaben mehrere Teilnehmer mit Blick auf den Bau des MKS 180 angekündigt, künftig einige Marine-Aufträge nur national ausschreiben zu wollen, berichtet das Handelsblatt. Kramp-Karrenbauer habe darauf verwiesen, daß eine Gesetzesänderung in Arbeit sei, die den Bereich der Marine-Schiffe als nationale strategische Kompetenz definieren soll. Dann müßten Aufträge nicht mehr automatisch europaweit ausgeschrieben werden. Eine Ausnahmeregelung, die bereits in Frankreich und den Niederlanden üblich ist.