© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/20 / 24. Januar 2020

Grüße aus Sydney
Wir beißen nicht!
Jörg Sobolewski

Endlich ist er da, kübelweise gießt der Himmel ausgiebig die Straßen und Parks der Millionenstadt. Ganz plötzlich ist das Wetter umgeschlagen. In dicken schwarzen Tropfen rinnt das Wasser von den Dächern und schwemmt mit sich Asche und Staub der großen Buschfeuer fort. Was haben sie gebangt, die Australier in Neusüdwales. Wann endlich der Regen komme, wann diese verfluchte Trockenheit und die Flammenwand in den Bergen rund um die Stadt ein Ende habe. Alle wurden gefragt, die Wissenschaft, die Politik, selbst die Chinesen kamen ins Gespräch. In den großen Weihnachtsgottesdiensten wurde der Himmel um Wasser angefleht, und nun sind die Bitten erhört worden. 

Doch plötzlich: Wolkenbruchartiger Regen ist über mehrere Tage angekündigt, in Europa Grund für Ärger und Beschwerden, hier hingegen freuen sich ausnahmslos alle. 

Nur ein paar Inder stehen noch unter dem geschützten Vordach und wissen nicht wohin.

Die Bauern und Feuerwehrleute sowieso, aber auch Banker und Kellner. Die Tresenkraft an der Ecke verläßt ihren heimelig abgedunkelten Arbeitsplatz, um einen Blick auf die Wassermassen zu erhaschen. Eine angeheiterte Runde, trinkfeste Iren, führt Regentänze auf. Selbst ein Lied wird schnell gedichtet, in dem der Regen als gutes Zeichen für den anstehenden Kampf des irischen Kampfsporthelden Conor McGregor gedeutet wird. Regen kenne man von zu Hause, das sei ein Zeichen für das „Luck of the Irish  – für unglaublich großes Glück“. 

Umstehende lassen sich anstecken, es ist Feierabend, und den Australier muß man nicht zweimal zu einer gut gelaunten Tresenrunde einladen. Eine gute Truppe tritt wieder in das Zwielicht des Pubs hinein und verschafft der erfrischten Bedienung hinter dem Tresen eine geschäftige Viertelstunde. Nur ein paar Inder stehen noch unter dem geschützten Vordach und wissen nicht so recht wohin. Vornehme Leute, die Frauen in prächtigen Saris. 

Die Männer wiegen die Köpfe, die Frauen schauen besorgt. So verharren sie, bis einer der Iren wieder aus dem Lokal kommt. Er besinnt sich nicht zweimal: „Kommt rein, wir beißen nicht!“ Mit der Galanterie eines angetrunkenen Rotschopfs nickt er den Damen freundlich zu und legt den Arm um die beiden Herren. Etwas konsterniert schauen die beiden schon ob der Vertrautheit, aber die Damen nicken freundlich. Es war ihnen vermutlich etwas frisch geworden im feuchten Wind, und so müssen die Männer eben mit.