© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/20 / 24. Januar 2020

Die Königin und das Kind
Netflix zeigt die Serie „AJ and the Queen“
Boris T. Kaiser

Der durch die Reality-TV-Show „RuPaul’s Drag Race“ bekannt gewordene Schauspieler, Moderator und Travestiekünstler RuPaul Andre Charles ist aktuell die Hauptfigur der neuen Netflix-Produktion „AJ and the Queen“. Die Serie handelt von dem Drag-Darsteller Ruby Red, der – nachdem sein Liebhaber mit seinem Ersparten durchgebrannt ist – durch die Schwulenbars Amerikas tourt.

Dabei freundet er sich mit dem Kind AJ an, das heimlich in seinen Wohnwagen eingestiegen ist. Besonderer Clou der ersten Folge: Denkt man aufgrund von Kleidung und Frisur anfangs, es handle sich bei AJ um einen Jungen, stellt sich am Ende der Eröffnungsepisode heraus, das Kind ist in Wahrheit ein Mädchen, das keines sein will. Gesellschafterziehung so subtil wie ein Gang mit dem rosaroten Vorschlaghammer durchs Spiegelkabinett. Die Serie bietet alle kitschigen Klischees, wenn nicht noch mehr. In einer Szene läßt sich ein muskulöser schwuler Polizist vom blinden Busenfreund der erwachsenen Hauptfigur betatschen, einfach nur um ihm mal etwas zu gönnen.

Drag-Formate liegen im Unterhaltungstrend

Im echten Leben ist RuPaul das Vorbild von Desmond Napoles aus den Vereinigten Staaten. Die Mutter des 12jährigen vermarktet ihren Sohn als schrill geschminktes sogenanntes „Drag Kid“ und läßt ihn – angeblich auf eigenen Wunsch – auf Homo-Paraden und in Nachtklubs auftreten. In linksliberalen US-Medien und zahlreichen Schwulen-Magazinen wird Desmond als Held und Vorbote der Zukunft gefeiert, der es bereits auch in deutsche TV-Beiträge schaffte.

Hierzulande scheinen Dragqueen-Formate ebenfalls ein neuer Unterhaltungstrend zu sein. Auf ProSieben lief im November die Heidi-Klum-Show „Queen of Drags“, eine Art super-fortschrittliche Variante von „Germany’s Next Topmodel“ für Travestiekünstler. Im Unterschied zum Original sahen sich die Macher ganz offenkundig in einer besonderen gesellschaftlichen Verantwortung. In Interviews und begleitenden Kommentaren wurde der Zuschauer über die Hintergründe zur LGBT-Community aufgeklärt. In „progressiven“ Kreisen herrscht wohl die Meinung, daß man gar nicht früh genug mit der Transvestitismus-Aufklärung beginnen kann. Der als Olivia Jones bekannte Hamburger TV-Promi Oliver Knöbel besuchte als „Toleranzbotschafter“ des Projekts „Olivia macht Schule“ bereits mehrere Kindergärten. In der schönen neuen (Fernseh-)Welt ist eben jeder ein bißchen queer.