© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/20 / 24. Januar 2020

Umwelt
Kulturkritik am Fleisch
Volker Kempf

Die am Sonntag endende „Grüne Woche“ in Berlin ist auch für Vegetarier ein gefundenes Fressen. Und Tierschützer haben ebenfalls gute Argumente für pflanzliche Nahrung. Fleischkritik läuft jedoch immer auch auf Kulturkritik hinaus. Indien hat nur einen Bruchteil des wachsenden Fleischkonsums von China. Südafrikaner verbrauchen pro Kopf bald doppelt soviel wie Japaner. Deutsche essen weniger Fleisch als Brasilianer – von Österreichern, Argentiniern, US-Bürgern oder  Australiern ganz zu schweigen. Für eine fleischarme Ernährung spricht das Tierwohl – nach der Devise: Lieber weniger Vieh, dafür anspruchsvoller gehalten. Getreide und Soja zu verfüttern und Rinderhaltung soll auch hinsichtlich der Klimabilanz negativ sein. Also wird erstens an die Einsicht der Verbraucher appelliert. Und zweitens wird nicht nur von Grünen empfohlen, an der Steuerschraube zu drehen.

Die Zukunft der Ernährung ist pflanzlich – sonst reicht es nicht für zehn Milliarden.

Warum Fleisch, Milch und Eier mit sieben statt 19 Prozent Mehrwertsteuer belasten? Vegetarier und Veganer dürften auch kein Problem mit weiteren Belastungen haben: Eine Tierwohlabgabe von 50 Cent propagiert eine von Greenpeace in Aufrag gegebene Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft. „Bis 2050 wird die Weltbevölkerung fast zehn Milliarden Menschen erreichen“, warnt der Verein „Menschen für Tierrechte“. Vegetarische Ernährung sei daher keine Spinnerei: „Die Zukunft der Ernährung ist pflanzlich, oder es gibt keine Zukunft.“ So würden die Agrarprodukte der Welt für mehr Menschen reichen. Die zusätzlichen Milliarden sind aber kaum Inder, sondern kommen eher vaus Kulturkreisen, die mehr Wohlstand auch mit mehr Fleisch verbinden. Bevölkerungswachstum verlangt mehr Ackerland. Und wer an fremde Fleischnäpfe heranwill, macht sich wenig Freunde. Die „Grüne Woche“ kann aber manchem die Vorzüge von pflanzlichen Produkten „beyond meat“ schmackhaft machen.