© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/20 / 24. Januar 2020

Knapp daneben
Niemand braucht Unternehmer
Karl Heinzen

Gut informierten Kreisen zufolge soll das Land Surinam trotz seines asiatisch anmutenden Namens irgendwo in Lateinamerika liegen. Von einem Beitrag zur Weltgeschichte ist nichts bekannt. Es heißt jedoch, daß die bedeutendsten niederländischen Fußballnationalspieler der vergangenen Jahrzehnte hier ihre Wurzeln hatten. 

Unterdessen kann Surinam auch noch in einer weiteren Hinsicht als etwas Besonderes gelten: Es führt die von der Zeitschrift The Economist erstellte Liste jener Staaten an, in denen der Anteil von unternehmerisch tätigen Menschen an der Gesamtbevölkerung am geringsten ist. Gerade einmal 3,6 Prozent der Einwohner Surinams haben eine Firma geerbt oder gar selbst gegründet. Nirgendwo ist die Bereitschaft, sich eine selbständige Existenz aufzubauen, geringer.

Daß unser Wohlstand von risikofreudigen und tatkräftigen Menschen abhängt, ist ein Klischee.

Nun kann man natürlich sagen: Was sollen die Leute in so einem Land auch anderes machen? Wahrscheinlich gibt es gar nichts zu tun und alle hängen sowieso bloß den ganzen Tag über ab und warten darauf, daß es endlich Abend wird und die Party beginnt. Über den Kosovo, der Surinam in der Economist-Liste auf den Fersen ist, läßt sich vermutlich dasselbe festhalten, doch könnte es auch sein, daß strafbewehrte unternehmerische Aktivitäten in der Statistik nur unzureichend erfaßt wurden. 

Im weiteren Verlauf bietet die Liste jedoch so manche Überraschung. Auf Platz drei steht Italien, gleich dahinter folgt Japan, und Deutschland und Frankreich auf Rang 9 bzw. 10 sind auch nicht fern. Am anderen Ende der Liste weisen hingegen ausgerechnet Nigeria (39,9 Prozent), Sambia (39,9 Prozent) und der Senegal (38,6 Prozent) die höchsten Quoten von Unternehmern aus. Das Klischee, daß unser Wohlstand von tatkräftigen und risikofreudigen Menschen abhängt, die eine Firma gründen, hält somit einer empirischen Prüfung nicht stand. Vielleicht ist das Gegenteil richtig. Je weniger Unternehmer es gibt, desto besser geht es uns allen. Dies entspricht auch unserer Alltagserfahrung: Die meisten Menschen, die sich als Selbständige ausgeben, sind in Wahrheit Arbeitslose, die schlecht qualifiziert sind.