© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/20 / 31. Januar 2020

Denn sie hatten sonst keinen Raum
Linksextreme Drohungen: Erneut muß die AfD in Berlin einen Parteitag absagen / Gericht: Risiko des Vermieters geht über vertragliche Verpflichtung hinaus
Christian Vollradt

Es war dann doch eine gewisse Überraschung: Seit Freitag vergangener Woche hat die Berliner AfD mit Nicolaus Fest einen neuen Landesvorsitzenden – und das, obwohl der ursprünglich für das Wochenende anberaumte Parteitag gar nicht stattfand. Oder besser gesagt: gerade weil er nicht stattfinden konnte. Denn erneut mußte das Landesschiedsgericht einen Notvorstand bestellen; nach mehrstündigen Beratungen einigte sich das Gremium schließlich auf den Publizisten und Europa-Abgeordneten aus dem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Ihm zur Seite stehen drei Bezirksvorsitzende, um dem Ganzen eine etwas stärker demokratische Legitimation zu verleihen, heißt es. Aus dem vorherigen Not-, sprich dem alten Landesvorstand sind noch die Co-Vorsitzende Jeannette Auricht sowie Schatzmeister Frank-Christian Hansel übrig. 

Damit, daß so schnell der bisherige geschäftsführende Vorsitzende Georg Pazderski abgelöst wurde, hatten selbst führende AfD-Funktionäre nicht gerechnet. Der Vorsitzende der Fraktion im Abgeordnetenhaus hatte zuvor angekündigt, nicht wieder für den Landesvorsitz zu kandidieren. Neben der Doppelbelastung durch das Mandat spielten auch private Gründe eine Rolle für diesen Entschluß. 

Pazderski hatte noch die Entscheidung des Berliner Landgerichts entgegennehmen müssen, wonach der Eigentümer des Ballhauses Pankow trotz eines gültigen Mietvertrags nicht gezwungen werden könne, die AfD zu beherbergen. Die Partei hatte den Vermieter zur Erfüllung des Mietvertrages für ihren Landesparteitag verpflichten wollen. Der Richter gestand dagegen den Betreibern der Gaststätte das Recht zu, vom Mietvertrag zurückzutreten.

Sie hätten glaubhaft machen können, daß sie telefonisch bedroht, und daß der Wirt „von Unbekannten mit einem Messer auf dem Parkplatz attackiert, beleidigt und bedroht“ wurde. „Grund hierfür sei die geplante Veranstaltung der Antragsteller gewesen.“ Weiter heißt es im Urteil: „Man habe ihm gesagt, daß man wiederkommen werde, wenn die Veranstaltung stattfinden solle. Man wisse, wo er wohne und wo er und seine Familie unterwegs seien. Auch wenn er die Polizei (‘Bullen’) einschalte, werde man sich wiedersehen.“

Rot-rot-grüner Senat        erklärt sich für unzuständig 

Es sei auch klar, daß die glaubhaft gemachte Gefährdung des Gaststättenbetreibers und seiner Familie „nicht aus der Sphäre des Antragstellers“, also der AfD stamme. Mit anderen Worten: Der Richter hielt die Drohungen, die mutmaßlich von Angehörigen der linksextremen Szene ausgingen, für authentisch und gefährlich. Die „Herrn B. angedrohten Konsequenzen“ könnten „nicht anders verstanden werden, als eine direkte Bedrohung von Leib und Leben seiner eigenen Person und seiner Familie, unter Umständen auch der Antragsgegnerin selbst“, also der AfD. Das Landgericht kam daher zu dem Ergebnis, daß „die Entstehung dieses Risikos ersichtlich weit über die vertraglich übernommene Verpflichtung zur Bereitstellung von Veranstaltungsräumen hinausgeht“.

AfD-Pressesprecher Ronald Gläser sagte gegenüber der JUNGEN FREIHEIT, es sei „unerträglich, daß solche Methoden von stalinistischen Polit-Gangstern geduldet werden“. Der Rechtsstaat müsse endlich „klare Kante gegenüber linksradikalen Gewalttätern“ zeigen. „Ich fordere zudem die anderen Parteien, insbesondere die Linkspartei, auf, sich von solchen Machenschaften zu distanzieren.“ Doch dieser fromme Wunsch stößt offenbar auf taube Ohren. Die JUNGE FREIHEIT bat alle übrigen im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien um eine Stellungnahme zu der nun mehrfach gescheiterten Anmietung von Räumlichkeiten durch die AfD und zu den Drohungen gegen Gastwirte. Bis zum Redaktionsschluß hatte keiner der angefragten Pressesprecher reagiert.  

Nach 170 Absagen durch potentielle Vermieter und zwei erzwungenermaßen kurzfristig gekippten Parteitagen fordert die AfD vom Senat, ihr öffentliche Räume zur Verfügung zu stellen. Das Argument der rot-rot-grünen Regierung, die Partei habe noch nicht den freien Markt ausgeschöpft, sei durch den jüngsten Beschluß des Landgerichts klar widerlegt worden, sagte Gläser der JF. Senatssprecherin Claudia Sünder wies dies zurück. Man sei nicht für Parteibelange zuständig, sagte sie dem Sender RBB. 

Die AfD plant offenbar, dagegen zu klagen. Die Hauptaufgabe des nun eingesetzten neuen Notvorstands ist es, möglichst zügig – und erfolgreich – einen neuen Parteitag anzuberaumen. Ob Nicolaus Fest dann zur Wahl als regulärer Parteichef antreten wird, ließ er offen. Als wahrscheinlicher und auch chancenreicher Kandidat wurde in Parteikreisen bisher der Bundestagsabgeordnete Gottfried Curio genannt.