© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/20 / 31. Januar 2020

Ländersache: Sachsen
Vorerst Schwein gehabt
Paul Leonhard

Entlang der Görlitzer Neiße haben die Metzger alle Hände voll zu tun. Angesichts der aus dem Osten vorrückenden Afrikanischen Schweinepest (ASP) lassen viele Dorfbewohner ihre Schweine schlachten. Sie haben wenig Hoffnung, daß sich die Sperrmaßnahmen der Behörden als wirksam erweisen. Diese lassen derzeit einen 128 Kilometer langen, zusätzlich mit bestialisch stinkenden Duftstoffen versehenen Elektrozaun entlang der Grenze zu Polen errichten – von Bad Muskau bis nach Zittau. Der 250.000 Euro teure Zaun schließt sich an einen 120 Kilometer langen an, den Brandenburg entlang seiner Hochwasserschutzanlagen bereits bis zur sächsischen Grenze gebaut hat.

So wollen die beiden östlichen Bundesländer verhindern, daß ASP-infizierte Wildschweine nach Deutschland einwandern und dieses seinen Status als „seuchenfrei“ verliert, was zu einem Exportverbot von Schweinefleisch führen könnte. 2007 wurde die hochansteckende Virusinfektion erstmals in Europa nachgewiesen. Seitdem breitet sie sich vom Baltikum, von Rußland und der Ukraine in Richtung Westen aus. Der Erreger gilt als widerstandsfähig und kann sich in Rohwurst, Schinken und Gefrierfleisch Monate oder sogar Jahre halten. Menschen, für die das Virus keine Gefahr darstellt, können den Erreger durch Fahrzeuge, Kleidung, Schuhe oder Lebensmittel verbreiten.

Schweine, die den Erreger in sich tragen, bekommen hohes Fieber und sterben innerhalb weniger Tage an inneren Blutungen. Betroffen ist aktuell Polen, wo Landwirtschaftsminister Jan Krzysztof Adranowski den Einsatz von Polizei und Armee für notwenig hält, um Wildschweine zu töten. Solche drastische Maßnahmen wird man in Deutschland nicht treffen, auch wenn die Jäger aufgefordert wurden, den Bestand zu reduzieren. Wenn Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) beim Termin an der Neiße davon sprach, man werde „keine Möglichkeit ungenutzt lassen“, „das Risiko zu verringern, daß die Afrikanische Schweinepest nach Sachsen kommt“, meinte sie Barrieren, notfalls Lebendfallen.

Die Strom- und Geruchsbarrieren sind eher ein Beweis des guten Willens, Schweinehalter vor wirtschaftlichem Schaden zu bewahren. Veterinäre gehen davon aus, daß sich die Wildtiere über weggeworfene Speisereste infizieren. Deshalb warnen die Behörden davor, in Polen erworbene Fleisch- oder Wurstwaren einzuführen und später etwa an Autobahnraststätten zu ensorgen. Füchse und Waschbären könnten kontaminierte Reste weitertragen.

Sachsen hat im Dezember mögliche Szenarien während einer viertägigen Großübung durchgespielt. Vorbild ist Tschechien, dem es als einzigem betroffenen Land gelungen ist, sich wieder von der ASP zu befreien. Dort wurde das Gebiet um den Ausbruchsort unter Quarantäne gestellt und alle Wildschweine zum Abschuß freigegeben. Die sächsischen Seuchenbekämpfer planen, gegebenenfalls mit Wärmebildkameras ausgerüstete Drohnen einzusetzen, um die Tiere aufzuspüren. Inzwischen sei man innerhalb von 12 bis 24 Stunden einsatzbereit, so die Meldung nach Dresden. Mitte vergangener Woche wurde die Seuche östlich von Bad Muskau – nur noch zwölf Kilometer von der Grenze des Freistaats entfernt – bei einem toten Wildschwein nachgewiesen.