© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/20 / 31. Januar 2020

Grüße aus Santiago de Cuba
Dollar und zwei Peso
Alessandra García

Der Metzger hat, mangels Ware, mit seiner Kundschaft über die neue Auskunftspflicht von Behörden diskutiert. Beim Friseur drehte sich das Gespräch um neue Lebensmittelstandards. In der Kneipe kam es fast zu einer Schlägerei, weil im Familiengesetzentwurf die „Ehe für alle“ festgeschrieben werden soll. Hatten nicht voriges Jahr Straßenproteste dafür gesorgt, daß diese westliche Zeitgeistmarotte nicht Bestandteil der neuen kubanischen Verfassung wurde? „Den werden wir es schon zeigen“, schimpft ein Nachbar und läßt offen, wen er damit meint. Was ist mit meinen Landsleuten los? Seit wann interessieren sie sich für ein neues Datenschutzgesetz? Was ist für Habenichtse an einem neuen Unternehmensgesetz oder Grund- und Bodengesetz interessant? Warum wollen Menschen, die von einem Leben im reichen Ausland träumen, mehr über das geplante Migrations- und das neue Staatsbürgerschaftsgesetz wissen?

„Jetzt spricht das ganze Volk über Reformen, von denen im Alltag nichts zu spüren ist.“

Die Antwort ist einfach: Ein ausländisches Magazin hat eine Liste mit 107 Gesetzesvorhaben veröffentlicht, die unsere KP-Regierung in den nächsten acht Jahren umsetzen möchte. Und da die Gesetzentwürfe und der Zeitplan ihrer Umsetzung wohl gegen den Willen unserer Mächtigen an die Öffentlichkeit gedrungen sind, muß das einfach interessant sein, auch wenn es viele langweilig finden. „Reformplan der Regierung von Kuba geleakt“, hieß die Topmeldung im Internet. Ich sehe diesen angeblichen Hackerangriff skeptisch. Er war wohl eher ein Propagandatrick. Jetzt spricht das ganze Volk über Reformen, von denen im Alltag nichts zu spüren ist.

Auf eine wirklich wichtige Frage gibt es dagegen immer noch keine Antwort: Was wird aus den verschiedenen Währungen, mit denen in den Geschäften bezahlt werden kann? Schon Raúl Castro hatte als Präsident versprochen, den konvertiblen Peso (Cuc) zugunsten des Peso cubano (Cup) aufzugeben. Gerüchteweise sollte das zum 1. Januar geschehen, was für derartige Unruhe unter den Cuc-Besitzern sorgte, daß der neue Präsident, Miguel Díaz-Canel versicherte, daß die Regierung für den Cuc garantiere. So gibt es weiterhin zwei Währungen sowie seit einigen Wochen wieder offiziell den US-Dollar – für hochwertige Konsumgüter in den Geschäften. Aber auf welcher gesetzlichen Grundlage? Naja, die Auskunftspflicht von Behörden gegenüber Bürgern soll erst im Juli 2021 verabschiedet werden. Und ein Bankengesetz ist übrigens für November 2021 in Aussicht gestellt.