© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/20 / 31. Januar 2020

Umwelt
Dünne Alpenluft
Paul Leonhard

Zum Jahreswechsel ging nicht nur das badische Atomkraftwerk Philippsburg 2 nach lediglich 35 Jahren vom Netz, sondern auch das viermal schwächere und mit 47 Jahren ältere AKW Mühleberg im Kanton Bern. Die fünf weiteren Schweizer Reaktoren und der Forschungsreaktor Crocus bleiben aber in Betrieb. Dennoch denken die Eidgenossen über Alternativen nach, um den Energiebedarf zu decken, ohne in fremde Abhängigkeit zu geraten. Die Wasserkraftnutzung ist nahezu ausgereizt. Neue Windparks rechnen sich nicht, und gegen Solaranlagen machen Bürgerinitiativen mobil, die die Landschaftsverschandelung nicht hinnehmen wollen. Die Stromholding Romande Energie (RE) hat eine grandiose Idee aufgegriffen: schwimmende Solarparks. Mehr als hundert gibt es schon in China, Japan oder den Niederlanden.

Die Solarzellen liefern im Hochgebirge etwa 50 Prozent mehr Strom als im Flachland.

Die größte Anlage in Deutschland schwimmt auf einem Baggersee bei Achern im badischen Ortenaukreis. Sie erzeugt jährlich 800.000 Kilowattstunden zur Stromversorgung eines Kieswerkes. Aber einen Solarpark in 1.800 Metern Höhe gibt es erst seit kurzem. Auf dem Lac des Toules, einem Stausee beim Großen St. Bernhard im Kanton Wallis erprobt RE, ob sich derartige Anlagen unter alpinen Bedingungen rentieren. Theoretisch klingt alles gut: Die Solarzellen generieren im Hochgebirge 50 Prozent mehr Sonnenenergie als im Flachland, weil die Luftschicht dünner und die UV-Strahlung höher ist. Außerdem reflektiert der Schnee im Winter das Licht. Die 36 im Seegrund verankerten Photovoltaik-Elemente bedecken eine Fläche von 2.240 Quadratmetern. Mit den pro Jahr produzierten 800.000 Kilowattstunden können – Speichertechnik vorausgesetzt – 220 Haushalte ein Jahr lang versorgt werden. Geht die Rechnung auf, soll der Solarpark erweitert werden und bis zu 6.000 Haushalte versorgen. Und weitere zehn Seen sollen so geschmückt werden.