© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/20 / 07. Februar 2020

Geld spielt eine Rolle
Gipfel mit Handelsketten im Kanzleramt: Lebensmittel sollen nicht verramscht, sondern mehr wertgeschätzt werden / Bauern lehnen „Bauernmilliarde“ ab
Christian Vollradt

Dieser Gipfel im Kanzleramt endete genauso wie viele vor ihm: ohne Ergebnis, dafür mit der Ankündigung, die Gespräche weiterzuführen. Am Montag hatte Angela Merkel neben ihren Ressortschefs für Wirtschaft und für Landwirtschaft, Peter Altmaier und Julia Klöckner (beide CDU), die Chefs der vier großen Handelsketten Edeka, Rewe, Lidl/Kaufland und Aldi zu Gast. Rund 90 Minuten dabattierte man über die Marktmacht der Handelsriesen, fairere Bedingungen für Landwirte und über mehr Wertschätzung für Lebensmittel. 

Weil laut einer Studie von 2014 rund 85 Prozent aller hierzulande verbrauchten Lebensmittel über das Kassenband eines der „Big 4“ geht, könnten die diktieren, was zu welchem Preis angeboten werde. Insbesondere die Bauern werfen dem Handel vor, Lebensmittel zu Dumpingpreisen als Lockmittel einzusetzen – auf Kosten der Erzeuger. Die sollen andererseits auch noch immer strengere Auflagen in Sachen Tierwohl, Pflanzenschutz und Düngung erfüllen, die allesamt die Produktionskosten in die Höhe treiben.  

Andererseits, so Rewe-Chef Lionel Souque, ermöglichten güns­ti­ge Le­bens­mit­tel­prei­se auch ärmeren  Men­schen „ei­ne ge­sun­de und si­che­re Er­näh­rung“. Man habe sich auf den „Start ei­nes Pro­zes­ses“ geeinigt, faßte Bun­des­land­wirt­schafts­mi­nis­te­rin Ju­lia Klöck­ner das Ergebnis des Tref­fens politdeutsch zusammen. Es solle eine Beschwerdestelle eingerichtet und ei­ne „Kom­mu­ni­ka­ti­ons­al­li­anz“ von Land­wir­ten und Han­del geschaffen werden. Kanzlerin Merkel betonte das „gemeinsame Interesse an einer starken regionalen Versorgung unserer Bevölkerung mit einheimischen Produkten“, schloß aber die unter anderem von den Grünen erhobene Forderung nach staatlich verordneten Mindestpreisen aus.

Politik wolle Fehler mit Schweigegeld vertuschen

Nicht zuletzt durch die öffentlichkeitswirksamen Treckerdemonstrationen habe man viel erreicht, was die Wahrnehmung der Landwirtschaft in Bevölkerung und Politik betrifft, resümierten Vertreter der bäuerlichen Basisbewegung „Land schafft Verbindung“ (LsV). Mit den jüngsten Protesten gegen Lockangebote und Dumpingpreise seien nun auch die Handelsketten offenbar gesprächsbereiter. Nachdem Ende Januar eine E-Mail von Aldi Nord in den LsV-Chatgruppen kursierte, in der den Bauern mitgeteilt wurde, man sehe keine Veranlassung für Gespräche, meldete sich ein Sprecher des Unternehmens aus der Zentrale in Essen und entschuldigte sich für das Schreiben. Er versicherte, der Discounter wolle gerne mit den Landwirten in den Dialog treten und Lösungen erarbeiten. Das sei auch das, was die Bauern wollen, so einer der LsV-Vertreter „Wir wollen keinen Krieg mit dem Lebensmitteleinzelhandel, solange der keinen anfängt“. Im Fall von Edeka Hannover-Minden (JF 6/20) habe man jedoch zeigen müssen, was einem nicht paßt. Das Unternehmen hat sich inzwischen für seine Niedrigstpreis-Marketingkampagne entschuldigt und sich mit Landwirten getroffen. Es sei nicht die Absicht gewesen, die Erzeuger zu verärgern, man habe die „derzeit sehr sensible Situation in der Landwirtschaft“ unterschätzt. 

Weit weniger beruhigend auf die Stimmung wirkte sich aus, worauf sich Ende vergangener Woche der Koalitionsausschuß in Berlin geeinigt hatte: die finanziellen Hilfen für die Landwirtschaft. CSU-Chef Markus Söder nannte sie ein „klares Signal der Wertschätzung“ und prägte den Begriff „Bauernmilliarde“. Andere sehen darin eher den Versuch des Ministerpräsidneten, die Wahlchancen seiner Partei im Freistaat bei den Kommunalwahlen im März zu verbessern. 

Viele Bauern sind der Meinung, daß sich die Bundesregierung mit der versprochenen Milliardenzahlung von ihrer Verantwortung für die aktuelle Malaise freikaufen und von ihren Versäumnissen aus der Vergangenheit ablenken wolle. Politikversagen solle mit Steuergeld vertuscht werden, so der Vorwurf. Von „Schweigegeld“ ist die Rede. „Wir wollen eure ‘Bauernmilliarde’ nicht“, heißt es in einer von sächsischen Landwirten initiierten Online-Petition. Was man brauche, sei Planungssicherheit und „eine sachgerechte Düngeverordnung“.