© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/20 / 07. Februar 2020

CD-Kritik: Joseph Bodin de Boismortier
Goldglimmer
Jens Knorr

Zuweilen hat man den Eindruck, daß historisch informierte Aufführungspraktiker mehr aus dem tiefen Brunnen der Vergangenheit zutage fördern, als jemals dort versenkt wurde: Aus dem unerschöpflichen Fundus der „Alten“ Musik haben die Gambisten Rahel Klein und Georg Noeldeke sechs Sonates à deux Violes op. 10 von Joseph Bodin de Boismortier eingespielt.

Der französische Flötist, Cembalist und Komponist war ein Vielschreiber, dem Neuerungen auf der Schwelle vom barocken zum galanten Stil eher unterlaufen zu sein scheinen, als daß er sie provozieren wollte. Was seine Stücke an formaler Kraft verlieren, gewinnen sie an Empfindlichkeit kaum hinzu.

Klein und Noeldeke, als Duo „Les deux Violes“, überfordern zwar nicht die Kompositionen, unterfordern aber sich als Interpreten. Ihr Spiel auf Kopien siebensaitiger französischer Baßgamben kommt etepetete und genügsam daher und atmet die Ödnis von Vorspielabenden. Im Beiheft behauptete Affekte bleiben unerhört, weil ungespielt.

Ein Späterer, der Komponist und Musikschriftsteller de La Borde, schreibt 1780, „wenn sich jemand die Mühe machte, in dieser reichhaltigen Mine zu schürfen, fände er darin soviel Goldstaub, um daraus einen Barren zu gießen“. Einen Barren haben „Les deux Violes“ nicht zusammengebracht, nur Goldstaub und reichlich Glimmer.

Joseph Bodin de Boismortier Sonates a deux Violes op. 10 Antes Edition / Bella Musica 2020  www.bella-musica.de