© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/20 / 07. Februar 2020

Das Wuhan-Virus
Entwicklung und Verbreitung der Coronaseuche / Kann sie eingedämmt werden?
Mathias Pellack

Die steigende Aufmerksamkeit für das Neuartige Coronavirus aus der chinesischen Metropole Wuhan hat wenige positive Effekte. Einer ist: Am vergangenen Wochenende zählten weltweite Gesundheitsbehörden erstmals mehr genesene als am Virus verstorbene Personen. Bis zum Redaktionsschluß am Dienstag hatten 426 Chinesen und ein Filipino die Infektion nicht überlebt. Bei 730 zuvor infizierten Personen konnten keine Krankheitserreger mehr nachgewiesen werden.

Seit am 9. Januar 2020 der erste Mensch an dem Neuartigen Virus verstarb, sind drei Wochen und zwei Tage vergangen. Das Virus erfüllt seither einige Anforderungen, um von der Weltgesundheitsorganisation zu einer Pandemie – einer ansteckenden Krankheit, die sich über mehrere Regionen hinweg ausbreitet – erklärt zu werden. In 24 weiteren Ländern gibt es 195 Fälle. Darunter sind einige Ansteckungen, die außerhalb Chinas geschahen – wie hier in Deutschland.

Der chinesische Epidemiologe Zhong Nanshan hatte das Maximum an täglichen Neuansteckungen für diese Woche prognostiziert, aber seine Schätzung mittlerweile auf kommende Woche angehoben. Bis zu 100.000 Menschen könnte das Virus erreichen. Zum Redaktionsschluß am Dienstag waren knapp 21.000 Personen betroffen. Bei etwa 14 Prozent komme es neben dem üblichen Symptom eines trocknen Hustens zu einem „schweren Verlauf“ wie einer Lungenentzündung. Etwa zwei Prozent der infizierten Chinesen starben daran.

Der Vergleich mit den 30.000 Grippetoten Deutschlands im Winter 2018/19 von Gesundheitsminister Jens Spahn hinkt daher. Die alljährliche Wintergrippe führt bei etwa 0,01 Prozent der Infizierten zum Tod.

Bisher ist kein Gegenmittel offiziell anerkannt. Die Ärzte lindern lediglich die Symptome. Doch am Sonntag sorgte eine Meldung aus einem thailändischen Krankenhaus für Aufsehen: Dort behaupteten die Ärzte, eine Frau mit einer Mischung aus Grippe- (Oseltamivir) und HIV-Medikamenten (Ritonavir und Lopinavir) geheilt zu haben. 48 Stunden nach der Gabe des Medikamenten-Cocktails sei der Virus nicht mehr nachweisbar gewesen, heißt es von der dortigen Gesundheitsbehörde. Acht weitere Patienten seien so geheilt worden. Auch ein Virostatikum gegen Ebola (Remdesivir) scheint anzuschlagen.

Kaum Neuinfektionen außerhalb Chinas

Auch konnte mittlerweile sowohl das Genom durch chinesische Forscher ausgelesen, als auch der ganze Virus durch Australier nachgezüchtet und von italienischen Forschern aus lebenden Patienten isoliert werden. Das erleichtert die Forschung nach Gegenmitteln.

Auch Deutschland will mit der Tübinger Biotechfirma CureVac eine führende Rolle bei der Suche nach einem Impfstoff übernehmen. Dafür bekommt das Unternehmen 7,5 Millionen Euro „für die beschleunigte Impfstoffentwicklung und -herstellung sowie klinische Studien“, hieß es am Freitag aus dem Bundesforschungsministerium.

Ohne gesicherte Behandlungsmöglichkeiten beschränken sich die Optionen auf das Lindern der Symptome und die Eindämmung. In China sind bereits 16 Städte mit nahezu 50 Millionen Menschen unter Quarantäne. Die Rate der Neuinfektionen sank dadurch von etwa 2,7 in der vergangenen Woche auf 1,1 in dieser Woche. Deutschland und andere Länder setzen diese Schutzmaßnahme ebenfalls für Verdachtsfälle bei jüngst aus der stark betroffenen Provinz Hebei rückgeholten Personen ein. Die 124 von der Bundesregierung ausgeflogenen Personen hätten ursprünglich 14 Tage in der Südpfalz-Kaserne der Luftwaffe in Germersheim bleiben müssen. Doch wegen zweier bestätigter Fälle wird die Quarantäne um weitere zwei Woche verlängert. Die Angesteckten werden in einem Hospital in Frankfurt weiterbeobachet und falls nötig behandelt.

Deutsche Krankenkassen erstatten mittlerweile die verfügbaren Schnelltests. Problematisch bleibt indes, daß das Virus ansteckend ist, bevor seine Träger Symptome feststellen. Besonders häufig sind Männer befallen. Über 70 Prozent der Träger sind männlich. Hinsichtlich des Alters macht das Virus aber kaum Unterschiede. Während einige Träger keine Symptome zeigen, hängt die schwere der Krankheit vor allem von Vorerkrankungen und der Stärke des Immunsystems ab. Von einem schweren Verlauf besonders betroffen sind daher Ältere, Kinder und Immunschwache.

Allem Anschein nach konnten die Infektionsketten außerhalb Chinas unterbrochen werden. Nach dem vergangenen Wochenende gab es keine neuen Fälle außerhalb der unter Quarantäne gestellten Bereiche mehr.

Übersichtskarte mit aktuellen Zahlen und weitere Informationen des Robert-Koch-Instituts

 www.kurzelinks.de

 www.rki.de





Was tun?

Wie schützt man sich?

Wie bei jeder Grippe sollten gute Händehygiene, Husten- und Nies-Etikette sowie Abstand zu Erkrankten eingehalten werden, um die Ausbreitung von Infektionskrankheiten der Atemwege zu vermeiden.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Eine spezifische Therapie gegen das neuartige Coronavirus steht derzeit nicht zur Verfügung. Sehr wirkungsvoll ist eine unterstützende Behandlung der Infektion wie der Ausgleich des Flüssigkeitshaushaltes.

Wann ist bei Husten und Schnupfen eine ärztliche Behandlung angeraten?

Bei starken Beschwerden, schwer beeinträchtigtem Allgemeinbefinden und Fieber ist es ratsam, einen Arzt aufzusuchen. Vor allem bei Säuglingen, Senioren oder abwehrgeschwächten Menschen verlaufen Krankheiten oft schwerer.

Was sollten Betroffene tun, die die Sorge haben, am neuartigen Coronavirus erkrankt zu sein?

Personen, die sich in einem Risikogebiet aufgehalten haben oder Kontakt mit am neuartigen Coronavirus erkrankten Person hatten, sollten ihren Arzt aufsuchen. Wichtig ist, vorher anzurufen. Schnelltests zahlen die Krankenkassen.