© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/20 / 07. Februar 2020

Reviergänge im Revier
Welch ein Spektakel: In Dortmund fand Europas größte Jagdmesse statt
Bernd Rademacher

Europas größte Jagdmesse „Jagd & Hund“ zog in der letzten Januarwoche ausgerechnet im Herzen des nicht gerade als Biotop bekannten Ruhrgebietes Grünröcke aus ganz Deutschland und vielen Nachbarstaaten an. Über zehntausend Besucher schoben sich täglich durch acht Hallen an den Ständen der 850 Aussteller aus 44 Ländern vorbei. Rein ins Geschehen: Vom bayerischen Trachtenträger mit Gamsbart und Loiferl bis zum Langhaarigen mit „Motörhead“-T-Shirt ist so ziemlich jeder vertreten. Was auffällt, ist der hohe Anteil an Leuten unter 40 und an Frauen. Außerdem sind etliche Besucher behaarte Vierbeiner – was wäre auch eine Jagdmesse ohne Jagdhunde? Die Drahthaar, Beagle, Teckel, Weimaraner, Bracken und Schweißhunde vertragen sich erstaunlich gut, Gekläffe ist nirgends zu hören. Besonders imposant ist ein kolossaler Rauhaardackel von zehn Kilo Kampfgewicht.

Die erste Halle ist erfüllt von einem vielstimmigen mechanischen „Ritsch-Ratsch“ – überall werden Repetierbüchsen durchgeladen. Vom „Volksrepetierer“ des Traditionsherstellers Mauser bis zur maßgefertigten Luxus-Knarre mit Edelholzschaft ist hier alles zu haben. Der Verkauf von Munition ist auf der Messe jedoch streng verboten.

Vor den Vorführungen der Jagdhornbläser, Hundetrainer, Falkner und Geländewagenanbieter bilden sich große Menschentrauben. Auch vor den Schießkinos sind immer Schlangen. Die Models der Modenschau schwitzen in ihren Pelzmänteln aus Bälgen heimischer Raubwildarten unter den Scheinwerfern, bewahren aber graziös Haltung.

Showkoch Rob Reinkemeyer zaubert auf der Bühne schmackhafte Wildgerichte. Zum Erstaunen der Zuschauer verwendet er das Netzgewebe, das die Verdauungsorgane im Tierkörper zusammenhält, bei der Zubereitung mit. Die Kameras übertragen das Gebrutzel in der Pfanne auf die Riesenleinwand hinter ihm.

Auch die Klimadebatte findet statt

Etwas skurril ist die Austragung der Deutschen Meisterschaft im Hirschrufen. Das Anlocken seiner Majestät des Waldes mit dem Eifelruf-Instrument aus Ochsenhorn will gelernt sein. Der Könner entlockt dem seltsamen Apparillo das täuschend echt klingende Röhren des brünftigen Hirsches, dem Anfänger entfahren eher Töne wie von einem betrunkenen, halskranken Gorilla.

Wenn man am etwa zweihundertsten Stand mit grünen Klamotten vorbeigekommen ist, sieht man buchstäblich den Mantel vor lauter Loden nicht mehr. Allerdings löst Signalorange das klassische Grün immer stärker ab, sehr zum Verdruß von Traditionalisten. Eine ganze Halle ist dem heiklen Thema Jagdreisen gewidmet. Ob Bären in Alaska, Böcke in Tansania, Füchse in Schottland, Elche in Schweden, Biber in Rußland oder, oder, oder – wer ein paar tausend Euro übrig hat, kann in der ganzen Welt auf die Pirsch gehen. Gerade in afrikanischen Ländern sind die Devisen hochwillkommen. 

Neuerdings wirbt auch die Türkei mit Jagdurlaub auf starke Keiler. Für die schmalere Brieftasche gibt es Wildschwein-Drückjagd in Mecklenburg oder Murmeltierjagd in Tirol. Ein Blick in die ausliegenden Preislisten zeigt aber auch: Die Strafgebühren für Fehlabschüsse, das verbotene Erlegen in der Schonzeit oder von Jungtieren sind drakonisch und gehen bis zu 1.000 Euro.

Natürlich ist die Klimadebatte auch längst im Revier angekommen. Der erste Hersteller hat schon reagiert und bietet mit einem E-Mountainbike samt Hundeanhänger die Möglichkeit zum emissionsfreien Umstieg von der G-Klasse aufs Rad. Nur das Flintenfutteral am Lenker fehlt noch. Dennoch scheint das Käuferinteresse ziemlich sparsam zu sein. Bei den Geländewagen nebenan ist jedenfalls deutlich mehr Betrieb. Die nächste „Jagd & Hund“ findet 2021 vom 2. bis zum 7. Februar statt.