© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 08/20 / 14. Februar 2020

Lesereinspruch

Wortschatz geraubt

Zu: „Am Ende wird Honig ausgetauscht“ von Felix Dirsch, JF 6/20

Wie Karlheinz Weißmann in seiner direkt daneben abgedruckten Kolumne „GegenAufklärung“ gesteht, empfinde auch ich „gegen bestimmte Worte einen fast körperlichen Widerwillen“. Daß der Autor der Ausstellungsbesprechung, Felix Dirsch, das „Dispositiv“ verwendet, mag noch der geistesgeschichtlichen Prägung durch Foucault geschuldet sein, aber das „Zentennium“ ist definitiv aus der Zeit gefallen. Nur Lateinkundige vermögen hier noch, ohne nachzuschlagen, zu deuten: Jahrhundert. 

Die Fremd- und Lehnwörter fördern bloß die „Umvolkung“ des Wortschatzes, sie verringern den Bedeutungsumfang deutscher Ausdrücke. Am markantesten wird der Grundwortschatz angegriffen, wo der Verfasser „divers“ wird. Dieser Ausdruck steht für: verschieden, manch, allerlei und vielerlei mehr – in Deutschland und Österreich derzeit vor allem das „dritte Geschlecht“. Auch der Anglizismus (?) „Intention“ ist hier zu nennen, den noch nicht einmal das Grimmsche Wörterbuch verzeichnet, dafür aber Absicht, Augenmerk, Bestrebnis, Maßgabe, Zielsetzung.

Dr. Jens Görtzen, Rendsburg