© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 08/20 / 14. Februar 2020

Liberté, Fraternité, Teilhabé
Sicherheitspolitik: Ein Vorstoß aus den Reihen der Union zum Thema atomare Bewaffnung der Bundeswehr sorgt beim Koalitionspartner für Empörung
Peter Möller

Frankreich hat sie, Deutschland nicht: Atomwaffen. Doch geht es nach dem Willen des CDU-Politikers Johann Wadephul, könnte sich das schon bald ändern. Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion hat eine Beteiligung Deutschlands an der französischen Atomstreitmacht ins Gespräch gebracht und damit eine Diskussion angestoßen, die nicht nur innenpolitisch eine Menge Sprengstoff birgt.

„Wir müssen eine Zusammenarbeit mit Frankreich bei den Nuklearwaffen ins Auge fassen. Deutschland sollte bereit sein, sich mit eigenen Fähigkeiten und Mitteln an dieser nuklearen Abschreckung zu beteiligen“, sagte Wadephul Anfang Februar dem Tagesspiegel. Im Gegenzug, so sein Vorschlag, sollte Frankreich seine Atomwaffen unter ein gemeinsames Kommando der EU oder der Nato stellen. Er verwies darauf, daß Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mehrfach dazu aufgefordert habe, mehr Europa zu wagen. „Er könnte nun zeigen, daß auch er dazu bereit ist. Ich mache mir keine Illusionen. Das wird seine Zeit brauchen. Aber die Debatte muß jetzt beginnen“, sagte Wadephul.

„Keine Beteiligung am Wettrüsten“

Das zumindest hat Abgeordnete aus Schleswig-Holstein tatsächlich erreicht. Die Reaktionen des Koalitionspartners SPD ließen nicht lange auf sich warten und waren unmißverständlich. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sprach von einem gefährlichen und völlig abwegigen Vorschlag. „Der Kalte Krieg ist vorbei, auch wenn Teile der CDU das offenbar noch nicht mitbekommen haben“, sagte Klingbeil dem Tagesspiegel. „An einem nuklearen Wettrüsten werden wir uns nicht beteiligen, auch nicht mit den Franzosen zusammen.“ Atomwaffen brächten keine Sicherheit, sie schützten niemanden und sie lösten auch keine Konflikte. Statt in der Logik der Aufrüstung zu denken, „sollten wir vielmehr gemeinsam mit der EU, der UN und der Nato im Dialog und mit Diplomatie dafür sorgen, daß die zahlreichen Krisenherde weltweit nicht eskalieren“, bekräftigte Klingbeil.

Ein Blick nach Frankreich zeigt, daß es dieser wütenden parteipolitischen Reaktionen auf den Vorschlag Wadephuls gar nicht bedurft hätte. Denn in einer Grundsatzrede vor Offiziersanwärtern an der École de guerre in Paris stellte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in der vergangenen Woche klar, daß sein Land überhaupt nicht daran denke, die Entscheidungsgewalt über die Atomwaffen abzugeben oder zu teilen. Gleichwohl stellte er eine engere Zusammenarbeit der Verbündeten und gemeinsame Übungen mit den französischen Atomstreitkräften in Aussicht. Hierzu gehören nach Informationen der Süddeutschen Zeitung auch Überlegungen, das neue Kampfflugzeug für die deutsche Luftwaffe, das Berlin und Paris bis 2040 gemeinsam entwickeln wollen, auf französische anstatt auf amerikanische Atomsprengköpfe auszulegen.

Diese Möglichkeit hält auch der Direktor des Zentrums für Sicherheitsstudien am Französischen Institut für internationale Beziehungen, Corentin Brustlein für denkbar. Deutschland könnte mit Frankreich eine nukleare Teilhabe vereinbaren, wie sie bereits zwischen Berlin und Washington existiert, sagte er dem Tagesspiegel. Diese sieht vor, daß im Kriegsfall deutsche Tornado-Jagdbomber mit in Deutschland gelagerten amerikanischen Atomwaffen bestückt werden (JF 43/19). Eine weitergehende Zusammenarbeit hält Brustlein derzeit für ausgeschlossen. Es gebe in Frankreich „auf politischer Ebene keinerlei Bereitschaft, die Entscheidungsgewalt über den Einsatz von Atomwaffen zu teilen“, sagte er dem Blatt.

Dennoch dürfte das Thema auch bei der an diesem Freitag beginnenden Münchner Sicherheitskonferenz wie schon im vergangenen Jahr wieder eine Rolle spielen. Denn erstmals wird Frankreichs Präsident Macron auf dem hochrangigen Treffen eine Rede halten. Daß er dabei mit Blick auf die französischen Atomwaffen Zugeständnisse machen wird, glaubt der Leiter der Konferenz, Wolfgang Ischinger, indes nicht. Die in Deutschland kursierenden Vorstellungen, den französischen Nuklearschirm europäisieren zu können, sei abwegig. „Kein französischer Präsident wird sein Entscheidungsmonopol in der Frage abgeben“, sagte Ischinger dem Tagesspiegel.