© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 08/20 / 14. Februar 2020

Äpfel mit Pflaumen vergleichen
Zuwanderung: Wie das Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zu einer Beschäftigungsquote von fast 50 Prozent unter den Asylsuchenden kommt
Claudia Bach

Die Nachricht duldete keinen Widerspruch. Mit der kurzen Feststellung „So ist die Lage“ verlinkte der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs in der vergangenen Woche auf Twitter einen Artikel des Spiegel, wonach jeder zweite nach Deutschland Geflüchtete einen Job habe. Zugleich bedankte er sich pflichtschuldig bei allen, die zu diesem vorgeblichen Erfolg beigetragen hätten.

Die Berichterstattung des Hamburger Nachrichtenmagazins und die gleichlautenden Meldungen zahlreicher weiterer Leitmedien stützen sich dabei auf einen am 4. Februar veröffentlichten Kurzbericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit. Die hierin zusammengefaßten Forschungsergebnisse entstammen einer Langzeituntersuchung des IAB und des Sozioökonomischen Panels (SOEP) des Deutschen Institus für Wirtschaftsforschung.

Bereits ein erster vertiefter Blick in den nun veröffentlichten Kurzbericht lädt dabei durchaus zu kritischen Anmerkungen ein. Die recht stattlich wirkende Beschäftigungsquote von rund der Hälfte aller zwischen 2013 und 2016 eingewanderten Asylsucher mit mindestens fünfjährigem Aufenthalt leiten die Forscher denn auch nicht aus amtlichen Arbeitsmarktstatiken her, sondern aus einer Befragung, welche ausschließlich auf den vom SOEP einmal jährlich erhobenen Selbstangaben von rund 8.000 Betroffenen beruht.

Die Ergebnisse wurden im Anschluß auf die Gesamtzahl der Zuwanderer hochgerechnet. Den Zuwanderern wurde eine Batterie von mehreren hundert Fragen vorgelegt, die zum Teil deutlich über bloße Auskünfte zur eigenen Person hinausgehen und Einschätzungen zu komplexen gesellschaftlichen Themen verlangen, mit denen sich die Mehrheit der Befragten während ihres noch kurzen Aufenthaltes in Deutschland kaum auseinandergesetzt haben dürfte.

Die Hälfte der Migranten wurde nur einmal befragt

Auch die Qualität der Daten stand immer wieder in der Kritik. Noch 2017 mußten nach einer Überprüfung der Ruhruniversität Bochum sechs Prozent der Ergebnisse wegen Manipulationsverdachts ausgesondert werden. Ausgewählt wurden überwiegend Personen mit guter Bleibeperspektive. Einzelne Teilgruppen von Zugewanderten, wie etwa Frauen, waren in der Studie überrepräsentiert, um überhaupt valide Ergebnisse zu diesem Personenkreis zu erhalten. Wer sich das Kleingedruckte des aktuellen IAB-Berichts näher zu Gemüte führt, muß zudem feststellen, daß es den Wissenschaftlern bei nicht einmal der Hälfte der Asylsucher gelungen ist, eine zweite Befragung durchzuführen. Von einer soliden Langzeitstudie läßt sich daher kaum noch sprechen. Offen bleibt vor allem die Anzahl der Befragten, die sich seit mindestens fünf Jahren hierzulande aufhalten, denn nur sie sollen bereits zu 49 Prozent in Arbeit seien.

Neben Fragen der Beschäftigung von Asylsuchern befaßt sich die Studie auch mit dem Erwerb der deutschen Sprache. Positiv vermerkt wird, daß über 85 Prozent der Befragten einen Sprachkurs durchlaufen und abgeschlossen hatten. Was der Forschungsbericht hingegen unterschlägt, ist, ob das von den Betroffenen damit angestrebte Sprachniveau auch tatsächlich erreicht wurde, denn in der Praxis nehmen zwar viele Asylsucher Angebote der Sprachförderung wahr, verfügen im Anschluß aber dennoch nicht über die am Arbeitsmarkt erforderlichen Deutschkenntnisse. Als beruflich integriert im Sinne der Studie gelten neben Zuwanderern mit einer regulären Anstellung auch bezahlte Praktikanten und Minijobber. Ebenso zählt die Aufnahme eines bei vielen Asylsuchern zur Sicherung ihres Aufenthaltstatus beliebten Ausbildungsverhältnisses als Integration.

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