© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 08/20 / 14. Februar 2020

Verschleppte Entscheidung
Öffentlich-Rechtliche: Politik und Medien streiten über den Rundfunkauftrag
Ronald Berthold

Es wird ein spannendes Jahr für die Öffentlich-Rechtlichen: Der Medienstaatsvertrag soll ratifiziert werden (JF 52/19) und die Erhöhung des Rundfunkbeitrages für 2021 wird beschlossen – voraussichtlich um 86 Cent pro Monat auf 18,36 Euro. Gleichzeitig wollen die Bundesländer den Auftrag der Rundfunkanstalten reformieren. 

Als „Gralshüter der deutschen Medienpolitik“, wie es die taz ausdrückt, begreifen sich die Ministerpräsidenten. Sie wollen einerseits einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk und halten den Beitrag für eine „Demokratie-Abgabe“. Andererseits fürchten sie den Zorn der Wähler, wenn dieser zu stark steigt. Ihnen sitzt die AfD mit ihrer Kritik an Programm und Ausrichtung von ARD und ZDF im Nacken. Um der Partei nicht neues Futter zu geben und vor den Landtagswahlen im Osten keinen weiteren Aufwind zu verleihen, haben sie eine Entscheidung vergangenes Jahr verschleppt. Nun wird es ernst.

Eine „Medienabgabe“ ist im Gespräch

Das Portal Medienpolitik.net hat alle 16 Chefs der Staats- bzw. Senatskanzleien, die für ihre Ministerpräsidenten die Medienpolitik verantworten, danach gefragt, wie der neugeregelte Programmauftrag aussehen solle. Aus den langen Antworten kann auch der Gutwilligste kaum etwas Konkretes herauslesen. Berlins Christian Gaebler (SPD) meint, er erwarte einen „Durchbruch“. In welcher Gestalt – kein Wort dazu. 

Nathanael Liminski (CDU) aus NRW sagt, der Grundsatz, „die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen“, habe nichts an seiner Berechtigung verloren. Es gehe nun darum, die Sender so auszurichten, daß sie trotz veränderten Nutzungsverhaltens der Zuschauer und der Vielfalt anderer Angebote „wahrnehmbar bleiben“. Er fordert daher ein „klares Profil“. Was das genau heißen soll – ebenfalls unklar.

MDR-Intendantin Karola Wille versuchte es – ohne sich direkt auf den neuen Sendeauftrag zu beziehen – beim Neujahrsempfang ihres Senders mit der Parole: „Miteinander leben – das ist unser publizistischer Leitgedanke für dieses Jahr.“ Sie beklagte „tiefe Risse“ in der Bevölkerung. Debatten seien derzeit kaum ohne hitzige Anfeindungen möglich. Wille, nach eigenen Angaben einst „aus Überzeugung“ der SED beigetreten, sieht sich dabei als eine Art Schiedsrichter. Denn viele Menschen könnten „Tatsachen von Meinungen“ nicht mehr unterscheiden. Daher müsse ihr Sender als „Impulsgeber, Faktenchecker und Moderator“ auftreten.

Konkreter werden externe Medien-Experten. So schlägt Kommunikationswissenschaftler Lutz Hachmeister eine „Dritte Säule“ neben öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern vor. Diese solle „demokratierelevante“ Inhalte ausstrahlen. In eine ähnliche Richtung geht die Idee einer „Plattform“, in der die Süddeutsche Zeitung bereits den „Ausweg aus dem Dilemma, daß Öffentlich-Rechtliche und ihr Auftrag so schwer zu reformieren sind“, sieht. Der Vorteil für ARD und ZDF an dieser Zwangspartnerschaft mit privaten Sendern und Verlagen, die längst auf die politisch abgesicherten Gebührentöpfe schielen: Sie könnten dabei ihr Problem der digitalen Ausspielwege lösen, indem sie die der digitalen Konkurrenz nutzen.

Wie der Focus unter Berufung auf Regierungskreise berichtet, prüft die Bundesregierung direkte oder indirekte Finanzhilfen für Zeitungen und Zeitschriften. Eine Anhebung der Rundfunkgebühr könnte so einer allgemeinen „Medienabgabe“ dienen. Ein unabhängiges Fachgremium solle dann die Auswahl der zu begünstigenden Medien festlegen.

Für RBB-Intendantin Patricia Schlesinger ist es „höchste Zeit“, den Plattform-Vorschlag (JF 15/19) zu realisieren. Sie prognostiziert allein die Anschubfinanzierung der Infrastrukturkosten im zweistelligen Milliardenbereich. Ob das der Gebührenzahler stemmen soll, ließ sie offen. Schlesinger sieht die ARD-Anstalt in Not, „kosmetische Anpassungen“ seien nicht mehr genug. Ihr Sender stehe vor der „größten Herausforderung seit der Gründung“. Rund 20 Millionen Euro habe allein ihr Sender jedes Jahr zu sparen – trotz der avisierten Beitragserhöhung. Denn die „reicht nicht einmal aus, um das bestehende, lineare Angebot auf Dauer zu sichern“. Da man an die teils sehr hohen Gehälter für Führungspersonal nicht heranwill und der „Kontraste“-Redaktion gerade ein neues Studio spendiert, werde man Mitarbeiter abbauen und am Programm sparen.

Am 20. Februar stellt die Rundfunkbeitragskommission KEF offiziell ihren Vorschlag zur Erhöhung vor. Dann dürfte die Debatte um Auftrag und Budget sich zuspitzen. ARD, ZDF und Deutschlandradio werden mehr verlangen. Die Entscheidung fällen noch in diesem Jahr die Ministerpräsidenten. Der WDR hat laut Welt am Sonntag bereits Kommunikationsberater der Münchner Agentur Media 5 engagiert, um auf erwartete Kritikwellen seitens des zahlenden Publikums zu reagieren. Für 580.000 Euro hat ARD-Vorsitzender Tom Buhrow Ex-Sky-Kommunikator Wolfram Winter und Ex-RTL2-Sprecher Andreas Fünfgeld als Krisenbetreuer für zwei Jahre angeheuert.