© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 08/20 / 14. Februar 2020

Die tausendjährige deutsch-russische Beziehungsgeschichte
Kontinuum des Ambivalenten
(ob)

Auf beeindruckende 1.000 Jahre blickt zurück, wer sich mit der Geschichte der deutsch-russischen Beziehungen befaßt. Gernot Erler, von 1987 bis 2017 für die SPD im Bundestag, Staatsminister und langjähriger Rußland-Beauftragter der Bundesregierung, durcheilt diese als „Kontinuum des Ambivalenten“ wahrgenommenen Jahrhunderte im Sauseschritt, um angesichts jüngster Eintrübungen, der „großen Entfremdung“ seit der Eskalation des Ukraine-Konflikts (2014), zu einem überraschend optimistischen Ausblick für die nächste Zukunft zu gelangen (zeitzeichen, 1/2020). Daß der vom Geist der „Entspannungspolitik“ nachhaltig geprägte Sozialdemokrat Erler die russische Seite vornehmlich als Opfer deutscher Aggressionen, vom Vorfühlen der Ordensritter in Livland bis zum „Unternehmen Barbarossa“ (1941) sieht, ist nicht erstaunlich. Folglich fehlt jede Erwähnung zaristischer Großmachtpolitik, des russischen Anteils am Ausbruch des Ersten Weltkriegs oder der Verbrechen der Roten Armee in Mittel- und Ostdeutschland gegen Ende des Zweiten Weltkriegs. Erler schweigt darüber, um die eingeforderte deutsche „Dankbarkeit nicht verblassen“ zu lassen, die, über aktuelle Belastungen hinaus, die in Wirtschaft und Wissenschaft „wieder aufwärtsstrebenden Beziehungen, über die öffentlich wenig berichtet wird“, absichern soll. 


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