© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 09/20 / 21. Februar 2020

Bleiern Union
Personaldebatte: Die möglichen Nachfolger von CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer bringen sich in Stellung
Jörg Kürschner

Knapp zwei Wochen nach dem angekündigten Rücktritt von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer ist der Machtkampf über die künftige Führungsstruktur von Partei und Kanzleramt in vollem Gang. Als erster hat der Außenpolitiker Norbert Röttgen offiziell seine Bereitschaft zur Kandidatur erklärt. Auffällig war das Bemühen aller genannten Bewerber um Abgrenzung gegenüber der AfD.

Es war Friedrich Merz, der seine Anhänger im Berliner Ballhaus, einem plüschigen Tanzlokal, mit einem Späßchen über das derzeitige Führungsduo AKK/Merkel erheiterte. Der Tag des Rückzugs von AKK werde als Tag des äußeren (Sturmtief Sabine) und des inneren Sturms im Gedächtnis bleiben, meinte der populäre CDU-Mann feixend. Der Beifall der Unions-Mitarbeiter war dem 64jährigen sicher, als er hinzufügte: „Es ist übrigens reiner Zufall, daß Tiefs im Augenblick Frauennamen haben.“ Merz vergaloppierte sich dann aber beim Thema AfD. Offenbar getragen von dem Beifall seiner Zuhörer redete er sich in Rage, zog Vergleiche zur NPD der sechziger Jahre und bezeichnete AfD-Politiker als „Gesindel“. Diese Äußerung relativierte er kurz darauf und entschuldigte sich später.

Diskutiert werden Kandidaturen von Männern, sämtlich aus Nordrhein-Westfalen, neben Merz und Röttgen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sowie Ministerpräsident Armin Laschet. Letzterer hatte sich lange bedeckt gehalten, ehe es dann vor der internationalen Gästeschar der Münchner Sicherheitskonferenz aus ihm herausbrach. „Heute macht der französische Präsident Vorschläge, wir brauchen zu lange, bis man reagiert.“ Deutschland müsse wieder wie in der Kanzlerschaft von Helmut Kohl große Initiativen für Europa entwickeln. Die Große Koalition habe zwar das Motto „Ein neuer Aufbruch für Europa“ im Koalitionsvertrag, „davon hat man bisher aber nicht so viel gemerkt“, meinte der 1961 in Aachen geborene CDU-Mann. Zur AfD müsse die Abgrenzung „unmißverständlich“ ausfallen, so die Kampfansage Laschets in Düsseldorf, wo er zusammen mit der FDP regiert.

Gegenüber seinen beiden Mitbewerbern kommt Spahn (bisher) sachlich-nüchtern daher, verzichtet auf Sticheleien. „Es geht um die Existenz der CDU“, gab er zu Protokoll, da die Partei im Westen an die Grünen und im Osten an die AfD verliere. „Für uns ist es existentiell, diese Linie klar zu ziehen.“ Und Merkel? „Es geht darum, die zwanziger Jahre zu gestalten“. Spahns Analyse beschreibt das strategische Dilemma beider Unionsparteien. „Erstens muß mit der Entscheidung über den Parteivorsitz in Abstimmung mit der CSU auch die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur klar sein. Zweitens wird in der neuen Konstellation ein klar definierter Modus zwischen Parteizentrale und Kanzleramt wichtig sein.“

CSU-Chef Söder hat es nicht so eilig

Spahn sprach sich ebenso wie Laschet für eine „Teamlösung“ aus, wobei offen blieb, wer an der Spitze eines Teams stehen soll. Unklar ist auch der Zeitplan. Während AKK vor übertriebener Eile warnte, drückt Spahn aufs Tempo. „Daß wir das nicht bis Dezember aushalten, ist offenkundig.“ Dann soll der reguläre Parteitag in Stuttgart das neue Grundsatzprogramm verabschieden. Die scheidende Vorsitzende hat während der vergangenen Tage in Einzelgesprächen mit den potentiellen Kandidaten gesprochen und will am kommenden (Rosen-)Montag der Parteispitze Verfahrensvorschläge unterbreiten. „Schrecklich“ für Laschet, da er zum ersten Mal am Rosenmontag nicht im Rheinland sein wird. Leider seien in Berlin „irgendwelche komischen Sitzungen angesetzt“ worden.

Röttgen war von Merkel 2012 als Bundesumweltminister aus dem Kabinett geworfen worden. Ihm gehe es um die „christlich-demokratische Idee“, begründete er jetzt seine Überraschungskandidatur. Als Partei der Mitte müsse die CDU klare Grenzen zur Linkspartei und zur AfD ziehen. Die AfD sei eine Partei, die mit ihrem „ nationalistischen Denken“ Unfrieden in die Gesellschaft trage. CSU-Chef Markus Söder stellte klar, daß eine rasche Wahl des neuen CDU-Vorsitzenden keinen Freifahrtschein für den gemeinsamen Kanzlerkandidaten bedeute. „Der Parteivorsitz ist das eine. Aber das andere ist die Kanzlerkandidatur. Diese geht nur mit der CSU.“ Der gemeinsame Kandidat könne zum Jahreswechsel 2020/2021 nominiert werden. Kanzlerin-Dämmerung? Vorzeitiger Rücktritt Merkels? Energisch wandte sich Söder gegen Überlegungen, die Amtszeit von Merkel zu verkürzen, um die Autorität des Kanzlerkandidaten zu stärken. „Keine Tricksereien“. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier assistierte: „Eine Mehrheit der Deutschen möchte, daß Angela Merkel bis zum regulären Wahltermin Kanzlerin bleibt.“

Unterdessen hat der innerparteiliche Druck auf CDU-Konservative in jüngster Zeit kontinuierlich zugenommen. Ein Opfer: der Fraktionsvize im Landtag von Sachsen-Anhalt. „Um weiteren Schaden von der Partei und der Person abzuwenden, wird Lars-Jörn Zimmer seine Funktion als Beisitzer im CDU-Landesvorstand bis zur nächsten Wahl des Landesvorstandes nicht weiter ausüben“, teilte Parteichef Holger Stahlknecht am Sonntag mit. Er stellte klar: „Weder die AfD noch die Linken sind für die CDU Ansprechpartner oder Verbündete.“ Zimmer hatte im ZDF an Unionspolitiker in Berlin und München appelliert, aus ihrem „Elfenbeinturm“ herunterzukommen und sich an der Basis ein Bild zu machen, wie es dort aussehe. „Ich kann keine 25 Prozent der Wählerinnen und Wähler einfach vor den Kopf stoßen und sagen, mit euren Vertretern rede ich nicht“, sagte er mit Blick auf die AfD. Mit einer solchen Ausgrenzungspolitik treibe man nur noch mehr Wähler „genau in diese Richtung“, beklagte er. 

Zimmer ruderte später zurück. Er habe nicht geltenden Beschlüssen der Partei und Fraktion widersprechen wollen. „Insofern waren diese Aussagen unklar formuliert und von mir so nicht beabsichtigt.“