© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 09/20 / 21. Februar 2020

Von wegen gemäßigt
Linkspartei in Thüringen: Alte Kader der SED und Antifa-Sympathisanten geben sich in der Fraktion die Hand
Björn Harms

Die mediale Berichterstattung rund um die derzeitigen Ereignisse in Thüringen weist einen entscheidenden Unterschied in bezug auf die politischen Ränder auf: Während viele Kommentatoren die AfD als Hort des Bösen darstellen, wird die Linkspartei in den Berichten als handzahm und gemäßigt, ja geradezu als bürgerliche Partei beschrieben. Das ist erstaunlich.

Nach außen hin prägt in erster Linie Bodo Ramelow das Bild der Partei. Daß der Thüringer Verfassungsschutz aufgrund von Kontakten zur Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) jahrelang eine Personalakte über ihn führte, er sich noch 2014 für die Aufhebung des KPD-Verbots aussprach oder 2009 in einem Interview mit der Südthüringer Zeitung den Schießbefehl in der DDR leugnete, fällt heute kaum mehr ins Gewicht. Durch sein betont smartes Auftreten erfreut er sich in Thüringen weiterhin großer Beliebtheit. Doch wählen die Bürger noch immer Parteien und keine Personen. „Ramelow ist nur das Feigenblatt. Hinter dem eloquenten Linken-Politiker läuft eine ideologische Maschinerie“, verdeutlichte kürzlich der Thüringer CDU-Fraktionsvize Michael Heym.

Inzwischen sind 30 Jahre seit der Friedlichen Revolution vergangen. Doch ziehen sich die Kontinuitäten zur DDR-Diktatur weiter fort. Ein Blick in den Thüringer Landtag zeigt, daß noch immer mehrere Abgeordnete der Linkspartei als Funktionäre in der SED tätig waren.

Da ist zum Beispiel die thüringische Landtagspräsidentin Birgit Keller, die als erste SEDlerin überhaupt an die Spitze eines bundesdeutschen Parlaments gewählt wurde – übrigens mit Stimmen aus der AfD-Fraktion. Nachdem Keller 1977 der DDR-Staatspartei beitrat, war sie in den achtziger Jahren hauptamtliche  Funktionärin einer FDJ- und SED-Kreisleitung.

Ähnlich verhält es sich beim Parlamentarischen Geschäftsführer der Linken. André Blechschmidt studierte von 1977 bis 1982 Marxismus-Leninismus an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, in seinem offiziellen Lebenslauf spricht er beschönigend von einem Philosophiestudium. Anschließend arbeitete Blechschmidt bei der SED-Bezirksleitung in Erfurt als Mitarbeiter in der Abteilung Kirchenfragen. Somit war er für den „Kontakt“ zu Kirchenleuten zuständig, was bedeutet: Auch die Überwachung von kirchlichen Veranstaltungen und von kirchlichen Kontakten in den Westen fiel mitunter in seine Verantwortung. Die Stasi-Spionageverwaltung registrierte ihn zusätzlich als „Inoffiziellen Mitarbeiter mit Arbeitsakte“ (IMA). Seine Akte gilt laut dem Historiker Hubertus Knabe als verschwunden.

Ähnlich wie Bodo Ramelow, der den Begriff „Unrechtsstaat“ für die DDR als „Bekenntnisritual“ ablehnt, hatte auch sein Fraktionskollege, der Ex-Landeschef Knut Korschewsky, schon 2009 sein abschließendes Werturteil zu diesem Thema gefällt: „Einen Unrechtsstaat DDR hat es für mich nicht gegeben“, sagte er damals. Das dienstälteste SED-Mitglied in der Linksfraktion ist Gudrun Lukin. Die 65jährige gibt in ihrer Biographie ebenfalls an, Diplomphilosophin zu sein und läßt dabei außen vor, daß sie in der Sowjetunion marxistisch-leninistische Philosophie studierte. Zu DDR-Zeiten arbeitete sie im Büro des Jenaer Bürgermeisters.

Die ehemalige Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie im Kabinett Ramelow, Heike Werner,  galt wiederum in der DDR als aufstrebende Jungfunktionärin. Die Wende machte ihrem Marxismus-Leninismus-Studium in Leipzig einen Strich durch die Rechnung. Gleichzeitig gehörte Werner 1989 zu den Gründungsmitgliedern der Marxistischen Jugendvereinigung „Junge Linke“. 

Blechschmidt arbeitete als „Inoffizieller Mitarbeiter“

Und während diese Altkader noch immer im Landtag sitzen, schieden zwei ehemalige DDR-Spitzel nach der Wahl im Oktober aus dem Parlament aus: die Abgeordnete Ina Leukefeld und ihr Fraktionskollege Frank Kuschel. Beide wurden von der Stasi-Kommission des Thüringer Landtags mehrfach für parlamentsunwürdig erklärt, weil sie unter anderem Ausreiseantragsteller bespitzelt hatten. „Ich habe es nicht unter Druck getan, sondern aus politischer Überzeugung, als notwendige Verteidigung gegen die Feinde der DDR“, gestand Kuschel vor wenigen Jahren.

Neben der unrühmlichen DDR-Vergangenheit gibt es in der Thüringer Linkspartei eine weitere offene Flanke: die Verbindungen ins linksextremistische Milieu. Über langjährige Kontakte verfügen zum Beispiel der Vize-Chef der Thüringer Linken, Steffen Dittes, oder die Landtagsabgeordnete Katharina König, die etwa die „Antifa für unverzichtbar“ hält. Schon 2001 meldete Dittes eine später verbotene Demo an, die dem klangvollen Motto folgte: „Es gibt tausend Gründe, Deutschland zu hassen“.

Auch am Samstag folgten zahlreiche Abgeordnete der Linkspartei dem Demonstrationsaufruf des Bündnisses #unteilbar und des DGB Hessen-Thüringen unter dem Motto „#Nichtmituns: Kein Pakt mit Faschist*innen – niemals und nirgendwo!“ auf den Erfurter Domplatz. 

Der anwesenden „Zivilgesellschaft“, – rund 10.000 Personen waren vor Ort – schlossen sich dabei illustre Gruppierungen wie „Pekari“ an, die laut eigenen Angaben „undogmatisch linksradikale Politik machen“ will. Der Thüringer Verfassungsschutz spricht von einer „linksextremistischen Gruppe“, die bereits durch „gewalttätige Proteste“ aufgefallen sei. 

Auch die Fahnen der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) wehten am Samstag. Die VVN-BdA wird seit ihrer Gründung durch das Bundesamt und mehrere Landesämter für Verfassungsschutz beobachtet und als „linksextremistisch beeinflußte Organisation“ eingestuft. Gerade jüngere Thüringer Abgeordnete wie Patrick Beier oder Christian Schaft machen immer wieder Werbung für Veranstaltungen des VVN-BdA und sind mit ihren Mitgliedern bestens vernetzt.

Ein Dreh- und Angelpunkt der linken Szene in Thüringen ist auch das Redroxx Jugendcafé in Erfurt. In den Räumlichkeiten haben die Thüringer Fraktionsvorsitzende der Linken, Susanne Hennig-Wellsow, und der Abgeordnete Christian Schaft ihr Bürgerbüro. Mehrmals fanden dort Durchsuchungen der Polizei statt. Zum einen weil jugendliche Straftäter im Café vermutet wurden, die Körperverletzungsdelikte begangen haben sollen. In einem anderen Fall aufgrund von Ermittlungen gegen fünf Verdächtige, die in Erfurt Veranstaltungen organisiert und unterstützt haben, bei denen für die sozialistischen Terror-Organisation PKK geworben wurde.

Erst im Dezember zeigte sich Schaft auf seiner Facebook-Seite öffentlich mit Vertretern der Konföderation der Gemeinschaften Mesopotamiens in Deutschland (KONMED), dem Nachfolger des kurdischen Dachverbands NAV-DEM, der laut Verfassungsschutz eine „unselbständige (Teil-) Vereinigung“ der PKK ist. Ist das also gemäßigt?





Fragwürdige Kontinuitäten

Ehemalige Mitglieder der SED, die für „Die Linke“ im Thüringer Landtag sitzen (Parteieintritt in die SED)

Heike Werner (1988)

Birgit Keller (1977)

Ralf Kalich (1979)

Knut Korschewsky (1979)

Ute Lukasch (1979)

Gudrun Lukin (1973)