© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 09/20 / 21. Februar 2020

Target2-Saldo im Euro-System auf 811 Millionen Euro gesunken
Auf unsicherem Grund
Joachim Starbatty

Im Januar sind die Forderungen der Bundesbank aus dem Target-2-Zahlungsverkehrssystem von 895 auf 811 Milliarden Euro gesunken. Nach Entspannung sieht das nicht aus. In der Frühphase der Währungsunion pendelten die Targetsalden im zweistelligen Milliardenbereich. 2008 wurde erstmals die 100-, 2012 die 500-Milliarden-Marke geknackt.

Banken aus stabilitätsorientierten Euro-Ländern hatten das Vertrauen verloren. Da kaum noch Kredite an südeuropäische Banken ausgereicht wurden, um Importe zu finanzieren, sprangen deren Zentralbanken in die Bresche. Sie gingen Verpflichtungen gegenüber dem System Europäischer Zentralbanken ein. Bei der Bundesbank entstanden riesige Guthaben – die positiven Targetsalden –, die sie unter „übrige Kapitalanlagen“ verbucht. Aufschlußreich für die Wertigkeit dieser Salden ist ein Briefwechsel zwischen Europaabgeordneten und dem damaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi. Abgeordnete aus wollten wissen, welche Verpflichtungen sich für Italien aus den Negativsalden bei einem Euro-Austritt ergäben. Sie müßten voll beglichen werden, lautete die Antwort.

Und wie sei mit den Überschüssen zu verfahren, wenn Deutschland ausscheide? Draghi antwortete: Ein solcher Fall stelle sich nicht, da die Währungsunion auf Dauer angelegt sei. In den vergangenen Monaten sind die Targetsalden etwas zurückgegangen, Überschüsse und Defizite gesunken. Steht damit der Euro wieder auf festem Boden? „Nein“, warnt Hans-Werner Sinn: Diese Entwicklung sei die Konsequenz der Politik der EZB, die die Eurozone mit Liquidität vollpumpe und die Banken über Strafzinsen ins Risiko treibe. Deutsche Banken geben ihre Überschußliquidität an südeuropäische Banken weiter, um Strafzinsen zu vermeiden. Diese lösen die Refinanzierungskredite ab, die ihnen von deren Zentralbanken eingeräumt wurden.

Dieser von der EZB initiierte Geldfluß nach Südeuropa reduziert damit die Verpflichtungen dieser Zentralbanken gegenüber dem Euro-System und damit auch die deutschen Targetüberschüsse. Dieser Vorgang steht und fällt mit der EZB-Politik. Deswegen hat Emmanuel Macron Jens Weidmann verhindert und Christine Lagarde an die EZB-Spitze befördert. Angela Merkel schwätzte er Ursula von der Leyen als EU-Kommissionschefin auf.

Wenn die sich als Konsequenz der Nullzinspolitik der EZB auf vielen Gebieten abzeichnenden Blasen – die kaum noch tragbare Verschuldung von Entwicklungs- und Schwellenländern, boomende Aktien- und Immobilienmärkte, überteuerte Staatsanleihen, Zombieunternehmen und -banken – platzen, steht die Eurozone erneut vor einer Existenzkrise. Unsere Politiker verschließen ihre Augen davor, doch die Bürger sollten darauf vorbereitet sein.






Prof. Dr. Joachim Starbatty ist Ökonom und war Abgeordneter des EU-Parlaments.