© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 09/20 / 21. Februar 2020

Der Flaneur
„Usser Rand und Band“
Paul Leonhard

Schwere SUV fahren vor dem Hotel vor und spucken Kostümierte aus. Ein Herr in einem mit bunten Orden geschmückten Jackett und mit einer bunt bestickten Kappe schreitet die Treppe herunter. Eine Gruppe Frauen lacht herzerfrischend. Andere rücken vor einem großen Spiegel ihre Spitzhüte zurecht. Junge Mädchen zeigen lange Beine, während sich Clowns mit roten Perücken lautstark fluchend in die Drehtür drängen. Die Spitzenfrau einer Gruppe mit überdimensionierten Lockenwicklern auf den Köpfen ruft fröhlich: „Ich glaube, hier sind wir richtig.“ 

Was meine Person betrifft, bin ich mir da nicht ganz so sicher. Der Rezeptionist klärt mich auf: Die Greesberger Große Karnevalsgesellschaft e.V. Köln 1882 habe Räume gebucht. Für die Mädchensitzung, was, abgesehen von dem einen Herren, die Abwesenheit weiterer Vertreter der Männlichkeit erklärt. 

Eine Gruppe verkleideter Damen zieht mich mit zurück ins Hotel.

Ich weiche den Damen einer Sekt trinkenden Funkengarde Richtung Ausgang aus. Zwei Männer mit gelben Westen und roten Ganzkörperanzügen schlurfen vorbei. Sind doch Männer zur Mädchensitzung zugelassen? Nein, das sind keine Jecken, sondern Rettungssanitäter.

Kaum eingetaucht in die erste Gasse der Stadt, stehe ich einer ganzen Gruppe Kostümierter gegenüber. Sie blicken starr an mir vorbei. Es sind Schaufensterpuppen eines Karnevals-Discounters. Der Laden selbst ist gerammelt voll. Von diversen Ersatzteilen bis zu kompletten Kostümen gibt es hier alles. Ich flüchte zurück zum Hotel. Vor dem Eingang beglückwünscht mich ein Mann im örtlichen Dialekt, daß ich gerade diesen Zeitpunkt gewählt habe, die Stadt zu besuchen, und fragt schließlich, ob ich „nicht ein paar Cent“ hätte. Zu einem Griff zur Brieftasche komme ich nicht. „Mädche usser Rand und Band“ ziehen mich mit sich und jubeln: „Köln, Kölscher, Greesberger.“ Dabei beginnt die richtige Karnevalswoche doch erst am 20. Februar.