© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 10/20 / 28. Februar 2020

„Müssen durch diesen Tunnel hindurch“
Extremismusvorwürfe: AfD-Chef Jörg Meuthen plädiert für zweierlei – Gegenwehr sowie Abgrenzung
Christian Vollradt

Medien und politische Konkurrenten machen die AfD mitverantwortlich für den Amoklauf in Hanau. Die Partei sei der „parlamentarische Arm des Rechtsterrorismus“. Herr Professor Meuthen, vor Ihrer Wiederwahl als Vorsitzender sagten Sie auf dem Parteitag in Braunschweig: „Für eine Rechtsaußen-Partei stehe ich nicht zur Verfügung!“ Hätten die AfD-Gegner recht, müßten Sie doch jetzt zurücktreten …?

Meuthen: Haben Sie aber nicht. Sie lügen, täuschen, verleumden, wenn sie solchen Unfug reden. Eigentlich leider alles wie immer. Nur wird es nun noch einen Dreh perfider.

Es gäbe ja auch eine andere Schlußfolgerung: Die AfD kann machen, was sie will, es wird ihr ohnehin immer die Verantwortung für „Haß und Hetze“ sowie die „Spaltung der Gesellschaft“ in die Schuhe geschoben. Also: Die auch von Ihnen stets angemahnte Abgrenzung – polemisch: die „Distanzeritis“ – bringe nichts. Ein berechtigter Einwand?

Meuthen: Nein, so pauschal ist das falsch. Richtig ist, daß wir niemals die Akzeptanz unserer Gegner bekommen werden, ganz gleich was wir auch tun. Das ist ja auch überhaupt nicht unser Ziel. Unangreifbarkeit in den Fakten aber muß eines unserer Ziele sein, denn Fakten zählen auf Dauer. Darum müssen wir einerseits geschlossen stehen, wo immer wir zu Unrecht angegriffen werden. Wir müssen zugleich aber auch den Mut haben, uns von Taten oder Worten von Mitgliedern klar abzugrenzen, wo diese Dinge tun oder aussprechen, die den Grundsätzen, Werten und Zielen unserer Partei zuwiderlaufen. Der Vorwurf einer „Distanzeritis“ geht in diesen Fällen völlig fehl.

Stichwort Instrumentalisierung: Kritiker wenden ein, die AfD erlebe nun genau das, was sie umgekehrt selbst betreibe, wenn es nach jedem Verbrechen eines Asylbewerbers heißt: „Merkel ist schuld!“ Ist der Amoklauf von Hanau vielleicht auch ein – trauriger – Anlaß, selbstkritisch in sich zu gehen?

Meuthen: Es muß in der Politik immer auch darum gehen, Verantwortlichkeiten klar zu erkennen und zu benennen. Das ist noch keine Instrumentalisierung. Und niemand, der die letzten Jahre Merkelscher Politik mitbekommen hat, wird ernsthaft eine mittelbare Mitverantwortung Merkels für die Straftaten illegal zugewanderter Migranten seit 2015 in Abrede stellen können. Einen Zusammenhang zwischen der grauenvollen Tat dieses psychisch schwer kranken Täters von Hanau mit der Arbeit unserer Partei herzustellen, ist dagegen absurd. Aber nichts erscheint mehr hanebüchen genug, als daß es sich nicht doch durch mediale Penetration in die Köpfe vieler Menschen als vermeintliche Gewißheit transportieren ließe. Und leider gefallen sich viele offenbar darin, genau das zu tun.

Viele Ihrer Parteifreunde befürchten, daß das Klima gegen die AfD nun rauher, eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz wahrscheinlicher wird. Sehen Sie überhaupt noch Chancen für eine bürgerlich-konservative, regierungs- sprich: koalitionsfähige AfD?

Meuthen: Kurzfristig ganz sicher nein, mittel- bis langfristig aber sehr wohl. Wir müssen nun durch diesen Tunnel hindurch, und das werden wir auch. Mit Geduld, Beharrlichkeit und im Vertrauen auf die Kraft der besseren Argumente.    






Prof. Dr. Jörg Meuthen ist seit 2015 einer von zwei Bundesvorsitzenden der AfD und Mitglied im Europäischen Parlament