© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 10/20 / 28. Februar 2020

Grüße aus Brüssel
Zypriotisches Gasdrama
Albrecht Rothacher

Es ist nicht alltäglich, zu einer Veranstaltung des American Jewish Congress (AJC) eingeladen zu werden. Die Leute sind knallharte Israel-Lobbyisten und machen auch kein Hehl daraus. Dank der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung fand die Veranstaltung im noblen Cercle Royal, einer Traditionseinrichtung nahe des belgischen Königspalasts statt. 

Auch der zypriotische Energieminister sprach, der einen sehr kompetenten Eindruck machte. Kurz die Fakten: Im Osten der zypriotischen Küste wurden riesige Gasfelder entdeckt, die auch in israelische Gewässer reichen. Gemeinsam wollen Griechenland, Zypern und Israel diese erschließen und per Pipeline nach Südeuropa exportieren. 

Die Türkei, in Gestalt des von Israel gründlich entfremdeten Ex-Bundesgenossen Recep Tayyip Erdo?an, versucht dies zu hintertreiben, indem sie sich von der Phantom-Regierung in Tripolis die entscheidenden Seerechte abtreten ließ, um den Pipelinebau zu sabotieren, und schickt türkische Söldner in den libyschen Bürgerkrieg. 

Deutschland eiert irgendwo zwischen Friede, Freundschaft, Eierkuchen rum.

Auf der anderen Seite steht dort der Rebellengeneral Chalifa Haftar – mit Unterstützung Ägyptens, Rußlands und auch Frankreichs. Also Geopolitik vom Feinsten. Die Sympathien des American Jewish Congress sind klar: Sie wollen Israels Überleben als neue Energiemacht sicherstellen.

 Das Berliner Deutschland eiert wie immer irgendwo dazwischen rum: Vermittlung, Friede, Freundschaft, Eierkuchen. Dagegen werden hier klare Ansagen geschätzt, zumal die isolationistisch gewordenen Amerikaner einmal mehr ausfallen. Es ging an diesem Abend also um Sympathie- und Einflußwerbung in Europa.

Deshalb und dennoch liebten die Griechen und die Israelis uns Deutsche plötzlich sehr. Die Griechen erinnerten an jenem Abend an die gemeinsam erlittenen Vertreibungsverbrechen: Sie aus Pontos und Smyrna (Izmir) 1923 und aus Nordzypern 1974 durch die Türken, die Deutschen aus dem Osten 1945/46. 

Der AJC nahm mich in seine Verteilerliste auf. Erste Großnachricht: Der aktuell erlittene Antisemitismus in Deutschland und Europa stamme zu 80 Prozent von islamistischen Migranten, der Rest gleichmäßig von der alten Rechten, die weiter jüdische Verschwörungen wittert, und der antizionistischen Linken, die Israel als weißes Kolonialprojekt denunziert. Recht haben sie und nennen unerschrocken Roß und Reiter. Eigentlich sehr sympathisch.