© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 10/20 / 28. Februar 2020

Streit um Rekonstruktion spitzt sich zu
Wiederaufbau: Bekommt die Berliner Bauakademie eine zeitgenössische oder eine Backsteinfassade?
Peter Möller

Vom Winde verweht. Am Ende war die an ein Baugerüst gespannte Plane mit der aufgedruckten Backsteinfassade der Berliner Bauakademie arg mitgenommen. Seit 2004 warb die Fassadensimulation am Standort des 1960/61 auf Geheiß des SED-Regime für den Bau des DDR-Außenministeriums abgerissenen Akademiegebäudes in der Mitte Berlins für den Wiederaufbau. Doch damit ist es nun vorbei. Das Gerüst und die zuletzt zerfetzte Plane sind in den vergangenen Wochen abgebaut worden.

Doch das bedeutet nicht, daß nichts mehr an das 1832 bis 1836 errichtete markante Backsteingebäude des wohl bedeutendsten preußischen Baumeisters Karl Friedrich Schinkel erinnert. Wie ein Zeigefinger ragt nun einsam aber um so markanter die Nordost-Ecke der Bauakademie in den trüben Berliner Winterhimmel.

Bereits 2001/2002 war auf Initiative des Fördervereins eine originalgetreue Kopie einer Gebäudeecke mit zwei Fensterachsen als Musterfassade aufgemauert worden, um als sichtbares Zeichen für den Wiederaufbau zu werben und zu demonstrieren, daß dieser handwerklich möglich ist. Auch ein „Roter Saal“ genannter rekonstruierter Musterraum neben der Ecke, der sich an einem Raum im ersten Stock des Originalbaus orientiert und für Veranstaltungen gemietet werden kann, hat den Abbau des Gerüstes überdauert.

Protest gegen den Gründungsdirektor

Doch auch wenn der nun fast vollständig abgeräumte, verwildert wirkende Bauplatz in direkter Nachbarschaft des Auswärtigen Amtes den Eindruck vermittelt, daß es um den Wiederaufbau der Bauakademie nicht gut bestellt ist, stand die Entscheidung für den Wiederaufbau, für den sich 2016 auch der Bundestag ausgesprochen hat und das notwendige Geld in Aussicht stellte, grundsätzlich nie in Zweifel. Die bis heute nicht beantwortete Frage lautet allerdings, wann und in welcher Gestalt wird die Bauakademie wieder ihren angestammten Platz in der Mitte Berlins einnehmen?

Derzeit sorgt die Bauakademie aber für ganz andere Schlagzeilen. Im November 2019 war der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Florian Pronold (SPD), zum Gründungsdirektor der Anfang 2019 gegründeten Bundesstiftung Bauakademie berufen worden. Die Stiftung soll später die Bauakademie, die sich als Ausstellungs- und Forschungszentrum mit Fragen der Architektur und des Städtebaus beschäftigen soll, betreiben. Doch an der Ernennung des Juristen und bayerischen Bundestagsabgeordneten Pronold regte sich schnell Kritik. Auch wenn er seit 2013 zeitweise im Bundesumweltministerium für „Bauen“ verantwortlich war und an den sogenannte Dialogforen zum  Nutzungskonzept für die Bauakademie teilgenommen hat, hätten sich viele einen versierten Architekten oder Kunsthistoriker an der Spitze der Stiftung gewünscht.

In einem offenen Brief an den zuständigen Bauminister Horst Seehofer (CSU) protestierten mehr als 620 Architekten Museumsdirektoren, Bauunternehmer und Wissenschaftler gegen das Ergebnis des Auswahlverfahrens. Der Vorwurf: Pronold sei kein Architektur-experte und habe die Fachkriterien des Auswahlverfahrens allesamt nicht erfüllt. „In der Welt des Bauens ist er nahezu unbekannt“, heißt es in dem Schreiben. „Herr Pronold hat weder Architektur noch Kunstgeschichte studiert, er hat keinerlei kuratorische Erfahrungen, er hat keinerlei Publikationsliste vorzuweisen über das ganze Thema, er hat bisher kein Haus geleitet und hat daher auch keine Berufserfahrungen auf diesem Gebiet. Er hat lediglich Erfahrungen als Berufspolitiker“, sagte einer der Initiatoren des offenen Briefes und Direktor des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt am Main, Peter Cachola Schmal dem Deutschlandfunk.

Mit der Entscheidung für Pronold seien „wesentlich kompetentere Personen ausgeschlossen“ worden. Das sei gerade in der Gründungsphase der Bauakademie fatal: „Es gibt ja noch keinen Inhalt für dieses Haus. Das muß das Gründungsdirektorium definieren: Was wird das Ganze überhaupt? Wird es ein Ausstellungszentrum, ein Debattierzentrum, geht es mehr in die Vergangenheit, geht es mehr in die Zukunft? Was passiert dort?“ machte Peter Cachola Schmal deutlich. Er und andere Kritiker hegen den Verdacht, daß Pronold mit einem lukrativen Versorgungsposten ausgestattet werden sollte: „Die Politik will diese Stelle für diesen Mann.“

Weiter heißt es in der Protestnote, der öffentliche Schaden sei „immens“. Die Bundestiftung Bauakdemie müsse über jeden Zweifel erhaben sein. „Daß sie nun im Geruch von Kungelei und Selbstbedienung steht ist deshalb nicht nur für sie selbst und ihren Start, sondern auch für Ansehen und Wertschätzung unserer parlamentarischen Demokratie katastrophal.“

Die in dem offenen Brief gegen ihn erhobenen Vorwürfe ließ Pronold nicht auf sich sitzen. Ende Januar schaltete der SPD-Mann einen Anwalt ein und warf seinen Kritikern „massive Täuschung“ und „falsche Tatsachenbehauptungen“ vor. Pronolds Anwalt geht deshalb nun gegen die Betreiber der Internetplattform vor, die den offenen Brief verbreitet hatte.

Unterdessen wird auch an einer anderen juristischen Front gegen die Berufung Pronolds gekämpft. Zwei unterlegene Mitbewerber um den Posten des Gründungsdirektors haben vor dem Berliner Arbeitsgericht gegen das Auswahlverfahren geklagt. Während das Gericht in einem Fall dem Kläger recht gab, wies eine andere Kammer des Gerichts eine zweite Klage ab. Bis zur endgültigen Klärung des Falles durch das Landesarbeitsgericht hat die Stiftung den Vertrag mit Pronold vorerst auf Eis gelegt.

Ausrufezeichen der modernen Architektur

Der Schaden für das Ansehen des Projektes ist indes längst schon eingetreten. Und die Auseinandersetzung verdeckt die wichtige Frage nach der künftigen Fassadengestaltung der Bauakademie. Denn nach wie vor ist offen, ob die architekturgeschichtlich bedeutende Backsteinfassade Schinkels originalgetreu rekonstruiert wird oder ob die Anhänger der architektonischen Moderne ihre Vorstellungen einer zeitgenössischen Fassade aus Glas, Beton und Stahl durchsetzen können.

Florian Pronold ließ bereits deutlich erkennen, wo seine Sympathie liegt: „Bei der Bauakademie ist das Thema Rekonstruktion weniger umstritten, als es zum Beispiel beim Humboldtforum/Berliner Schloß war, weil es ein Meilenstein der Architekturgeschichte ist, weil es der erste Bau der Moderne war. Das serielle Bauen hat damit Einzug gehalten in Preußen, in Deutschland.“

Nicht auszuschließen, daß hier die wahren Gründe für die Ablehnung Pronolds durch viele Architekten liegen, die an dieser prominenten Stelle gegenüber der rekonstruierten Barockfassade des Stadtschlosses viel lieber ein Ausrufezeichen der modernen Architektur setzen wollen.

Weitere Infos: Förderverein für die Schinkelsche Bauakademie e.V., Glienicker Straße 36, 14109 Berlin

 www.foerderverein-bauakademie.de/