© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 10/20 / 28. Februar 2020

Goodbye Rundfunkgebühr
Großbritannien: Johnsons Regierung möchte die BBC reformieren und verschlanken
Ronald Berthold

Die britische Regierung unter Premierminister Boris Johnson macht Ernst: Den Rundfunkbeitrag für die öffentlich-rechtliche BBC will sie abschaffen und stattdessen ein Abo-Modell wie bei Pay-TV-Sendern einführen. Damit müßten nur noch die Briten zahlen, die das Angebot nutzen. Die jüngste Erhöhung der Gebühr um drei auf 157,50 Pfund (185 Euro) im Jahr könnte ein letztes Aufbäumen des Giganten sein. Zum Vergleich: In Deutschland empfielt die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) den Rundfunkbeitrag von 210 auf 220,32 Euro im Jahr zu erhöhen (von 17,50 auf 18,36 Euro monatlich).

Auf der Insel soll es die Gebühr 2027 nicht mehr geben. Dann wird die Erneuerung des dem deutschen Rundfunkstaatsvertrag entsprechenden „Royal Charter“ fällig. Aus einem internen Papier der Regierung geht laut Sunday Times hervor, daß diese den Sender zwingen wolle, bei den bisher zehn nationalen Fernsehkanälen deutlich abzuspecken und die meisten ihrer 61 Radiostationen zu verkaufen. Außerdem soll der Umfang der Webseite eingedampft werden.

In Deutschland steht eine Beitragserhöhung an

Während in Deutschland alle Parteien bis auf die AfD die öffentlich-rechtlichen Sender stützen, sind die britischen Torys seit Jahren Gegner der BBC. Sie werfen ihr politisch linkslastige Einseitigkeit vor. Sogar als „Todfeind der konservativen Partei“ hatte Dominic Cummings die BBC bereits vor Jahren bezeichnet. Heute ist er Johnsons Chefstratege. Die bisherigen Premierminister hatten sich an den Sender nicht herangewagt. Dabei wird eine Reform allseits als längst überfällig anerkannt.

Beobachter deuten die kürzlich erfolgte Einsetzung John Whittingdales als Kulturstaatsminister als Signal, daß es dem Premier ernst ist. Whittingdale gilt nicht nur als leidenschaftlicher Brexiteer, sondern auch als Gegner der Zwangsgebühr. „Schlimmer als eine Kopfsteuer“ hat er sie genannt. Aus seinem Wunsch, sie abzuschaffen, machte er nie einen Hehl. Berichten zufolge habe Johnson Whittlingdale den Anti-BBC-Auftrag mit dem Namen „Mission Angriff“ erteilt. Der Premierminister hatte im Wahlkampf bereits angekündigt, den Rundfunkbeitrag zur Disposition zu stellen. Bei der BBC hielten das viele für reine Rhetorik. Um so erschrockener sind sie nun, daß sich Johnson daranmacht, sein Wahlversprechen umzusetzen. Mit Bezug auf eine hochangesiedelte Quelle berichtet die Sunday Times, dies sei „kein Bluff“. Wörtlich heißt es, die konservative Regierung werde den Sender „umnieten“.

Schon weit vor 2027 könnte die BBC einen beträchtlichen Teil ihrer Einnahmen verlieren. Denn die Regierung will bis Anfang April prüfen, ob sie die Nichtzahlung der Rundfunkgebühr entkriminalisiert. Bisher werden dafür 1.000 Pfund Strafe oder Gefängnis fällig. Ohne Angst vor Sanktionen könnten viele Briten schon dieses Jahr ihre Zahlungen einstellen. Die BBC rechnet für diesen Fall mit Mindereinnahmen von 240 Millionen Euro. All das zeigt Wirkung: Kürzlich gab der Sender bekannt, im Nachrichtenbereich 450 von 6.000 Stellen weltweit zu streichen und somit 95 Millionen Euro zu sparen.

Kommt das Abo-Modell, dürfte das viel zu wenig sein für den momentanen Aufbau. Der BBC-Vorsitzende David Clementi warnt, eine Bezahlschranke bedeute praktisch das Ende des Senders. Und dies dürfe nicht sein, denn die BBC sei „die einigende Kraft“ und die „nationale Institution“ auf der Insel. Das Schicksal seines Hauses verknüpfte er gleich mit dem des ganzen Landes: „Eine reduzierte BBC bedeutet ein geschwächtes Vereinigtes Königreich.“

Wie sehr die „Mission Angriff“ bereits läuft, machte die ironische Antwort aus der Downing Street klar: Clementis Worte seien ein „wunderbares Argument“. Wenn die BBC so bedeutend sei, wie ihr Chef sage, dann werden die Briten auch bereit sein, freiwillig dafür zu bezahlen. Johnson-Intimus Cummings gilt in Sachen BBC als Vordenker. Schon 2004 kündigte er an: „Die geschlossene privilegierte Welt der BBC muß auf den Kopf gestellt werden, und ihr bloßes Dasein sollte Gegenstand einer äußerst intensiven und gut finanzierten Kampagne sein.“ 16 Jahre später hat diese Kampagne nun begonnen.

Was in Deutschland kaum vorstellbar ist, passiert jetzt in Großbritannien. Das wichtigste Printmedium, die Times, schlägt sich auf die Seite Johnsons und fordert die Abschaffung der Rundfunkgebühr. Allerdings verfolgt Verleger Rupert Murdoch dabei auch eigene Interessen. Der konservative Tycoon greift nach dem Erbe der BBC. Er ist dabei, einen neuen anspruchsvollen Radio-Nachrichtensender aufzubauen, der dem Radio 4 der BBC Konkurrenz machen soll. Sein Konzern wirbt bereits Journalisten von der öffentlich-rechtlichen Rundfunkstation ab. 

In Deutschland haben Politik und Anstalten derweil andere Sorgen: Schaffen sie es angesichts der schleppenden Regierungsbildung in Thüringen, die anstehende Beitragserhöhung rechtzeitig durch die Landesparlamente zu drücken? „Ich kann nur hoffen, daß die Länder handlungsfähig sind, um einen verläßlichen Finanzrahmen zu geben, weil die Konsequenzen erheblich sein könnten, wenn sich zum Beispiel der Zeitplan nach hinten verschiebt, mahnt ARD-Intendant Tom Buhrow gegenüber der dpa. Die Ministerpräsidenten treffen sich am 12. März, um über die Beitragserhöhung zu beraten.