© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 10/20 / 28. Februar 2020

„Radikale Reaktion auf die Klimakrise“
Stimmung gegen Fortpflanzung: Deutsche Jugendportale drücken das Thema Sterilisation in die Öffentlichkeit
Gil Barkei

Ein Sujet, das zumindest nach Auffassung mehrerer Jugendportale in das neue Jahr in die Öffentlichkeit gehört, ist anscheinend das Thema Sterilisation. Nicht die Vasektomie älterer Herren, die bereits Kinder haben, sondern die Sterilisation junger kinderloser Menschen, die sich also bewußt für ein Leben ganz ohne Nachwuchs entscheiden. Am 13. Januar widmete das Funk-Format „Follow me.reports“ eine Folge der 23jährigen Lysann, die sich trotz ihres beruflichen Umgangs mit Kindern sterilisieren ließ. Sie könne sich nicht vorstellen, ihr „Leben, das sie jetzt führt, aufzugeben“. Fruchtbarkeit ist für sie „schlimm“, das Aufwachen nach den OPs beschreibt sie als „Glücksmoment“. Die Daten der Eingriffe hat sie sich auf die Hand tätowieren lassen. Ein durchgestrichenes Venus-Symbol kommt während des Funk-Beitrags im Gesicht noch dazu. 

Soweit ein Bericht über eine radikale, aber nicht uninteressante Entscheidung. Nur warum läuft diese Thematik bei den Onlineformaten größtenteils unkritisch rauf und runter? Bereits Ende Dezember berichtete das Zeit-Portal zett über Lysann, die dabei erscheint wie die deutsche weibliche Antwort auf einen Bericht des französischen Jugendmagazins Rockie über die Vasektomie ihres Gründers Fabrice Florent – zett hatte den Beitrag im März übersetzt veröffentlicht. Am 26. Januar folgt dann das deutsche männliche Pendant: Zett spricht mit Frodo (ebenfalls 23) über seine Sterilisationüberlegungen und beschreibt diese als „eine gewagte Form des Feminismus und eine radikale Reaktion auf die Klimakrise“.

Die Videoproduktionfirma Hyperbole, die unter anderem das Funk-Format „Germania“ (47/18) produziert, zieht auf ihrem Youtube-Kanal gleich eine ganze Serie über ihren Redakteur Jan Schipmann auf, der auf dem Weg zum großen „Finale“ seiner Operation Mitte Februar unter anderem mit seinem Vater, einem Klima-Experten und seiner Ex-Freundin vor der Kamera sein Vorhaben diskutiert. 

Dankend aufgenommen wird Schipmanns „Selbstversuch“ vom Deutschlandfunk Nova, der schon mal im Juni 2019 mögliche Wege und ihre Risiken aus der Entscheidung „Kinder unerwünscht“ darstellte. Auch jetzt.de von der Süddeutschen Zeitung bittet Schipmann zum Interview – ein medialer Abgesang auf die eigene Fortpflanzung.