© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/20 / 06. März 2020

Es geht schon wieder los
CDU: Der Kampf um die Delegiertenstimmen findet bereits vorab unter ungleichen Bedingungen statt
Christian Vollradt

Droht der CDU die Zerreißprobe? So manchem in der Partei scheint es mulmig zu werden: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther warnte vor der Gefahr, „daß wir uns auseinanderdividieren lassen“. Man habe schon 2018 einen sehr knappen innerparteilichen Wahlausgang gehabt – „mit den bekannten Folgen“, gab der Politiker in der Welt zu bedenken. „Genau deswegen wünsche ich mir, daß man einen Richtungs- und Personalstreit doch noch vermeidet.“ 

Auch sein niedersächsischer Parteifreund Bernd Althusmann kritisierte, daß es nun zur Kampfabstimmung um den Parteivorsitz kommt. Er hätte von den drei Bewerbern erwartet, daß sie sich im Sinne der Sache im Vorfeld auf einen Kandidaten einigen. Persönlich, so der stellvertretende Ministerpräsident Niedersachsens, traue er dem Duo Armin Laschet und Jens Spahn „absolute Führungsfähigkeit“ zu. Und am Rande eines Kleinen Parteitags teilte Althusmann mit, 90 Prozent des Präsidiums der Niedersachsen-CDU hätten bei einer Abfrage seine Meinung geteilt. 

Das Votum des niedersächsischen Präsidiums ist allerdings nicht so aussagekräftig, wie es scheint. Denn außer daß generell die Delegierten zwar beeinflußbar, doch nicht weisungsgebunden sind, kommt bei Althusmanns Verband eine – historisch bedingte – Besonderheit hinzu. Weil die CDU früher als das Bundesland gegründet wurde und nach wie vor kleinstaatliche Animositäten samt Besitzstandswahrung gepflegt werden, ist die Niedersachsen-Union auf Bundesebene dreigeteilt: in die beiden alten Länder Braunschweig und Oldenburg sowie (die frühere preußische Provinz) Hannover. Die häufig genannten 137 niedersächsischen Delegierten gibt es formal in dieser Gesamtheit also gar nicht (siehe nebenstehende Tabelle).

Braunschweigs Landesvorsitzender Frank Oesterhelweg hat sich bereits als Unterstützer von Friedrich Merz offenbart. „Der Charakter der CDU als Volkspartei hat gelitten, auch konservative Positionen müssen wieder ihren Platz bekommen“, so der Vizepräsident des Niedersächsischen Landtages. Für Ende März hat Oesterhelweg Merz in seine Heimatstadt eingeladen, die Veranstaltung ist seit Wochen ausgebucht. Dies bedeute jedoch „keinerlei Vorfestlegung meines Landesverbandes“, so der Vorsitzende.

Der Heimatverband aller drei Konkurrenten, mit 295 Delegierten größter und einflußreichster auf dem Parteitag, hat sich indes mit einer Abstimmung festgelegt: Nordrhein-Westfalens Landesvorstand votierte mit 27 Ja- und zwei Nein-Stimmen bei drei Enthaltungen für das „Team“ Laschet und Spahn. In Baden-Württemberg, zweitstärkster Verband, haben sich Spitzenvertreter wie Landeschef Thomas Strobl und Kultusministerin Susanne Eisenmann für Merz ausgesprochen, in Hessen verzichtete man angesichts eines drohenden Patts im Landesvorstand auf eine Abstimmung.

In Berlin präferiert der Landesvorsitzende Kai Wegner den Kandidaten Merz, ähnlich sieht es in Sachsen-Anhalt aus. Während es aus Ham­burg noch keine Tendenz gab, sprach sich Bremens CDU-Chef Carsten Meyer-Heder klar für Laschet aus, da Merz „zu stark polarisiert“. In Meck­len­burg-Vor­pom­mern gilt Landesvorsitz-Kandidat Philipp Amthor als Merz-Fan, doch hat hier auch Merkel noch Einfluß, was eher Laschet zugute kommen könnte. In Sachsen und Thüringen verweisen Funktionäre auf den großen Rückhalt, den Merz an der Basis genieße.

Röttgen wird bloß eine Außenseiterstellung eingeräumt. Insbesondere seine nicht wenigen innerparteilichen Gegner werden nicht müde zu erwähnen, daß der direkt gewählte Bundestagsabgeordnete aus dem Rhein-Sieg-Kreis der Partei bei der Landtagswahl 2012 seinerzeit als Spitzenkandidat das schlechteste Ergebnis in Nordrhein-Westfalen seit 1947 eingebrockt habe.

Der restliche Vorstand wird im Dezember neu gewählt 

Aus dem Adenauer-Haus verlautete unterdessen, es gebe zehn weitere CDU-Mitglieder, die sich um den Parteivorsitz bewerben, bisher allerdings noch nicht von einer antragsberechtigten Gliederung (etwa einem Kreisverband) oder dem Vorstand einer Bundesvereinigung der Partei nominiert und der Bundesgeschäftsstelle schriftlich vorschlagen worden seien. Grundsätzlich ist auch jeder stimmberechtigte Delegierte auf dem Parteitag vorschlagsberechtigt. Am Montag trafen sich Noch-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer und Generalssekretär Paul Ziemiak mit Laschet, Merz und Röttgen in Berlin.

Bei dem etwa einstündigen Gespräch einigten sie sich immerhin auf den Ablauf und das Verfahren. Gemeinsame Auftritte vor den Landesverbänden wie 2018 soll es diesmal nicht geben. Stattdessen setzt man auf das Internet und „zwei zentrale digitale Townhalls“ mit allen drei Kandidaten. Die verständigten sich zudem darauf, daß am 25. April nur „eine Nachwahl des Parteivorsitzenden erfolgt“. Sollte es zu weiteren Wahlen im Vorstand (Stellvertretender Parteivorsitzender) oder Präsidium kommen – sprich: siegt Laschet und greift seine „Teamlösung“ mit Spahn –, handele es sich auch dabei um Nachwahlen. 

Daraus folgt: Alle übrigen Mitglieder von Vorstand und Präsidium der CDU werden turnusgemäß auf dem Parteitag in Stuttgart Anfang Dezember gewählt. Halb im Spaß, halb im Ernst unkten erste Skeptiker schon, Merkel könne dann für den Fall, daß ihr das Ergebnis an der Parteispitze nicht paßt, dieses am Jahresende wieder – Thüringen läßt grüßen – „rückgängig“ machen.