© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/20 / 06. März 2020

Krieg der Steine
Lego-Konkurrenz: Mehrere Bausteinehersteller füllen die Lücke militärischer Spielsets
Bernd Rademacher

Endlich ist er da!“ jubelt die Bausteine-Fanseite super-bricks.de. „Brandaktuell: Der neue Katalog mit Neuheiten für die kommenden Monate! Mit neuen Bausätzen des Vietnamkrieges oder Rommels Deutschem Afrikakorps! Und jetzt endlich wieder lieferbar: Das deutsche Schlachtschiff Bismarck!“ Dabei geht es natürlich nicht um die bunten Bausteinchen des weltbekannten dänischen Spielwarenherstellers Lego. Im Universum der Lego-Welten kommen Militär und Krieg nicht vor. 

Es sind Nachahmerprodukte von Firmen wie Cobi, Sluban, Ban Bao oder Mega Bloks. Deren Lego-Klone sehen nicht nur aus wie die skandinavischen Originale, sondern sind laut Herstellerreklame auch mit diesen kompatibel. Damit lassen sich die pazifistischen Lego-Figuren zu waffenstarrenden Kriegern nach historischem Vorbild aufmotzen.

Cobi wurde 1987 in Warschau als Puzzle-Produzent gegründet. Seit den frühen Neunzigern baut das Unternehmen seine eigenen „Legosteine“. Heute fertigen mehrere hundert Mitarbeiter die bunten Klötze im polnischen Mielec sowie in Tschechien und der Slowakei. Nach Eigenangaben exportiert Cobi mit „strenger Qualitätskontrolle und schnellen Lieferzeiten“ in über 60 Länder weltweit. Zum Beispiel seine „Historical Collection“ mit einem legendären Halbkettenfahrzeug der Wehrmacht oder dem absurden deutschen Riesenpanzer „Maus“, dessen Fertigungspläne schon 1944 aufgegeben wurden (900 Teile, 51,40 Euro).

Neben alliierten Kampffahrzeugen wie dem US-amerikanischen Sherman-Panzer, dem französischen Somua S35 oder dem sowjetischen T34 gibt es auch den bekannten deutschen Kübelwagen und natürlich den „Tiger“ sowie den „Königstiger“ inklusive einer grimmig dreinschauenden Kommandantenfigur mit Luger-Pistole in der Hand – statt 40 Euro jetzt nur 34,28. Andere Spielfiguren kommen als deutsche Elitetruppen oder russische Wintereinheiten daher.

Das Design der NS-Kriegswirtschaft inspiriert bis heute also nicht nur Hollywood-Produzenten. Daß dieser plastikgewordene Alptraum jedes deutschen Gemeinschaftskunde-Pädagogen ausgerechnet von einem polnischen Betrieb gefertigt wird, ist aber schon etwas skurril.

Auch Infanterieeinheiten sind im Angebot

Im Onlineshop von real bietet der chinesische Produzent Sluban neben Sets zum Thema „Mädchentraum“ auch das Paket „WWII Schlacht von Kursk“ an (44 Euro). Auf der eigenen Internetseite warten noch Kampfflugzeuge und Flugzeugträger auf die Käufer; allerdings ist Sluban nicht so nah an den Vorbildern wie Cobi. Bei Amazon und ebay gibt es neben dem Sluban-Fuhrpark das Zubehörset Infanteriewaffen von Feleph, einem weiteren Spielwarenhandel aus dem Reich der Mitte. In der Produktbeschreibung zu MP40, Karabiner 98 und Co. heißt es: „Das vielfältige Waffenzubehörpaket enthält mehrere militärische Ausrüstungssätze, die alle Anforderungen an die Kampfarmee erfüllen können. Kinder können echte Kriege simulieren und echte Kampfspiele spielen, das kann die organisatorischen Fähigkeiten von Kindern verbessern.“ 68er-Mütter kurz vor der Schnappatmung, doch die Kundenbewertungen liegen durchschnittlich bei 4.5 von 5 Sternen. 

Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften unter anderem auch den deutschen Panzerkampfwagen II. Einige Käufer bemängeln jedoch, daß die Sturmgewehre, Panzerfäuste und Stahlhelme nicht optimal mit den original Lego-Männchen zusammenpassen. Solchen Fachsimpeleien gehen Youtuber wie „Der Herr der Steine“ nach, der auf seinem Kanal (313.000 Abonnenten) zivile und militärische Modelle vorstellt, zusammenbaut und testet.

Auch die Zeit hat das Phänomen entdeckt und zeigt sich entsetzt. Den „Qualitätsjournalisten“ ist aufgefallen, daß ein Männchen eine schwarze SS-ähnliche Tellermütze trägt und empören sich darüber, daß angeblich sogar ein französisches Weltkriegsmuseum die Spielesets anbietet. 

Unverkrampfter geht die brandenburgische CDU-Politikerin und Bundestagsabgeordnete Saskia Ludwig damit um: Sie teilte auf Twitter mit, daß sie nach Han Solos Raumschiff Milleniumfalke aus Star Wars (7.541 Teile), der Bismarck (1.974 Teile) und der Titanic (2.840 Teile) nun das 1944 gesunkene Schlachtschiff Tirpitz als Cobi-Model aus rund zweitausend Steinchen für ihr Büro im Deutschen Bundestag in Angriff nimmt. Wer sagt denn, daß dieses Spielzeug nur für Jungs ist.