© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 12/20 / 13. März 2020

Lesereinspruch

Der Vorwurf ist falsch

Zu: „Justitia ist nicht mehr blind“ von Markus Brandstetter (JF 10/20)

Ihr Kommentar läßt juristisch vorbelasteten Menschen die Haare zu Berge stehen, indem Sie den schwerwiegenden Vorwurf der Befangenheit erheben. Natürlich ist es richtig, juristische Entscheidungen zu hinterfragen. Dazu gehört, sich auch zu überlegen, warum dasselbe Argument in einem Fall (Hambacher Forst) durchgreift, in einem anderen Fall (Grünheide) hingegen nicht. Das ist das Wesen der Einzelfallgerechtigkeit, die im Grundgesetz niedergelegt ist. Gleiches soll gleich, Ungleiches ungleich behandelt werden. Ohne eine genaue Analyse, warum in dem einen Fall ein Gericht so und in dem anderen ein anderes Gericht anders entscheidet, mithin ob es sich um Gleiches oder Ungleiches handelt, kann niemand sagen, die eine Entscheidung sei richtig und die andere nicht. Und – das mag juristischen Laien tatsächlich nicht ohne weiteres einleuchten – selbst wenn die Fälle vergleichbar wären, steht es immer noch im pflichtgemäßen Ermessen jedes Richters, sich von den Erwägungen seiner Kollegen zu entfernen und anders zu entscheiden, solange das im Rahmen von Recht und Gesetz erfolgt.

Eberhard Hafermalz, Düsseldorf