© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 12/20 / 13. März 2020

Lisa Eckhart gibt die reaktionäre Muse, die vom Vergnügen des Lasters kündet.
Sind Sie deppert?
Michael Klonovsky

Für eine Spitzenposition mußte man früher als Frau noch die Vagina benutzen; heute genügt es, eine zu haben. – Das ist entwürdigend!“ Oder: „Ich könnte nie Sex mit einer Frau haben – einfach weil ich Frauen dafür nicht genug verachte.“

Also sprach die österreichische Kabarettistin und Poetry Slammerin Lisa Eckhart. „Poetry Slam“, erklärte sie in einem Interview, „ist ein Dichterwettstreit, bei dem dem Publikum vorgegaukelt wird, daß es Geschmack und Urteilsvermögen besitze, weil es über die vorgetragenen Texte richten und den Sieger küren darf.“ Sie wisse selbst nicht, ob sie gewinnen oder bloß die anderen gegen sich verlieren sehen wolle. Auf die Frage, ob sie ihr Publikum liebe, entgegnete die überschlanke, pagenhafte Androgynität mit weiblicher Verruchtheit verbindende Steiermärkerin: „Ich brauche sie! Wie kann ich sie da lieben?“ 

Beim Poetry Slam wird normalerweise gereimt. Im Falle Lisa Eckharts klingt das so: „Doch wenn der letzte Baum gerodet, letzter Götterfunk verodet, wenn der letzte Fluß vergiftet und letzter Fisch an Land gedriftet – dann wird feststell’n jedermann, daß man Veganer essen kann.“

Ihre Texte handeln vom Krieg zwischen Mann und Frau und Frau und Frau, von Inzest, Immoralismus und Zeitgeisthuren jederlei Geschlechts, vom toten Gott und vor allem vom Vergnügen des Lasters. Es sind Assoziationskaskaden, selbstverliebte Sprachpirouetten, die in Wirklichkeit „von dem hochintelligent heimgekehrten Affen geschrieben werden, den die Nasa 1961 ins Weltall beförderte“. 

Die wie aus der Cabaret-Welt der zwanziger Jahre in die Gegenwart gefallen wirkende Endzwanzigerin tritt inzwischen sowohl als Solistin als auch in der ZDF-Sendung von Dieter Nuhr auf. Sie hat es also geschafft – aber nie weiß das Publikum so recht, was es, bei allem bereitwilligen Gelächter, eigentlich von ihr halten soll. Etwa wenn die spröde Maid beteuert, sie sei dagegen, daß Frauen Auto fahren, arbeiten und wählen dürften: „Ich will keine Rechte – ich will Privilegien!“ Wenn sie sich über den schlaffen Händedruck moderner Männer mokiert („Man kann sich vorstellen, wie die zu Hause onanieren“). Wenn sie beteuert: „Ich habe nicht mit Professoren geschlafen, um mein Studium zu finanzieren. Ich habe studiert, um mit Professoren zu schlafen.“ Wenn sie einem Laktoseintoleranzler bescheinigt: „Säugetiere, die auf Milch allergisch sind: das ist ganz großes evolutionäres Kino! Aber glaubst du, Gott wollte dich?“ Oder wenn sie sich von den „Fridays for Future“-Hüpfern an die Veitstänzer des Mittelalters erinnert fühlt und bedauernd hinzusetzt: „Damals konnte man die noch verbrennen.“ 

„Ist das eine Bühnenfigur oder sind Sie das selbst?“ werde sie in Interviews oft gefragt. Antwort: „Fragen Sie das als Journalist, oder sind Sie so deppert?“