© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 12/20 / 13. März 2020

Trotz Viren san mia mia
Bayern: Am Sonntag sind im Freistaat Kommunalwahlen
Thorsten Brückner

Die Stärke der CSU bis hinein in die kleinsten Kommunen des Freistaats ist bis heute ihr Schlüssel für gute Wahlergebnisse auf Landes- und Bundesebene. Kaum ein Ort zwischen Hof und Garmisch-Partenkirchen ist zu klein, als daß er nicht über einen funktionierenden CSU-Ortsverband verfügt. Fast 3.000 sind es immer noch. Doch bei den letzten Kommunalwahlen 2014 bekam die selbsternannte bayerische Staatspartei ordentlich einen auf die Mütze. 40 Prozent waren das schlechteste Kommunalwahlergebnis für die Christsozialen seit 1960. Die Ausgangssituation hat sich vor dem Urnengang am 15. März abermals verschlechtert. „Wir werden natürlich ein anderes Ergebnis bekommen als vor sechs Jahren“, baute Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder bereits vor. Umfragen gibt es kaum. Dort wo es sie gibt, wie in der Landeshauptstadt München, verheißen sie für die Partei nichts Gutes.

Laut einer Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Insa käme die CSU bei der Stadtratswahl gerade mal noch auf 23 Prozent, fast zehn Prozentpunkte weniger als vor sechs Jahren. Auch die SPD würde demnach deutlich verlieren und käme ebenfalls auf 23 Prozent (minus acht Prozentpunkte). Stärkste Kraft könnten mit 27 Prozent die Grünen werden.

Doch auch unter den kleinen Parteien zeichnen sich Gewinner ab. Die in den Städten im Freistaat schwache AfD würde sieben Prozent holen (plus 4,5 Prozentpunkte). Die Bayernpartei könnte laut der Umfrage ihren Stimmenanteil sogar mehr als verdreifachen (von 0,9 auf 3 Prozent).

Wenig Sorgen muß sich dagegen wohl Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) machen, der vor allem durch eigene Sympathiewerte punkten kann, allerdings auch von einem nicht mal die eigenen Leute überzeugenden Wahlkampf von CSU-Spitzenkandidatin Kristina Frank profitiert. Laut der Insa-Umfrage könnte es für Reiter möglicherweise schon im ersten Wahlgang reichen. 49 Prozent sagen ihm die Erfurter Meinungsforscher voraus, weit abgeschlagen auf Platz zwei liegt Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Habenschaden (17 Prozent) noch vor Frank mit 16 Prozent.

Kompliziertes Wahlsystem 

Völlig neu gemischt werden die Karten in Bayerns zweitgrößter Stadt Nürnberg. 18 Jahre war Ulrich Maly von der SPD Stadtoberhaupt der Frankenmetropole. Zur Kommunalwahl 2020 tritt der Sympathieträger der Roten (67 Prozent bei der Wahl 2014) nicht mehr an. Stattdessen geht für die Sozialdemokraten ihr Nürnberger Vorsitzender Thorsten Brehm ins Rennen. Seine Herausforderer sind Marcus König von der CSU und die Grünen-Landtagsabgeordnete Verena Osgyan. Auch in der früheren Reichsstadt drohen der SPD laut einer Umfrage der Nürnberger Nachrichten herbe Verluste. Dennoch könnten sie mit 27 Prozent (minus 17 Prozentpunkte) weiterhin stärkste Kraft im Stadtrat bleiben, vor den Grünen mit 21 Prozent und der CSU mit 19 Prozent. Damit würde es auch für eine Fortsetzung des bisherigen rot-schwarzen Bündnisses knapp. Auch die drittgrößte Stadt Bayerns, Augsburg, wird einen neuen Bürgermeister bekommen, nachdem Kurt Gribl (CSU) nicht erneut antritt.  

Aufgrund des sehr komplizierten Wahlsystems sind Umfragen allerdings schwierig. Die Wähler haben die Möglichkeit, einem Kandidaten auf der Stadtrats-, Gemeinderats- oder Kreistagsliste bis zu drei Stimmen zu geben. Auch Panaschieren, also Stimmen quer über Listen zu verteilen, ist erlaubt. Zudem können Kandidaten gestrichen werden. Auch die Kommunalwahl steht im Zeichen des sich im Freistaat derzeit moderat ausbreitenden Coronavirus. Laut einer dpa-Befragung in zehn Städten liegen die Briefwahlanträge deutlich über denen von 2014.

Wählergemeinschaften  im ländlichen Raum

Wie beliebt kommunale Ämter in Bayern sind, zeigt auch die Entscheidung des früheren Verkehrsministers Hans Reichart (CSU). Er verließ im vergangenen Herbst die Staatsregierung, um sich in Günzburg um die Nachfolge von Hubert Hafner zu bewerben, der nach vier Legislaturperioden als Landrat nicht erneut antritt. Die Wahl Reicharts dürfte sicher sein. 

Etwas schwieriger hat es dagegen die ehemalige CSU-Bundestagsabgeordnete Katrin Albsteiger, die neue Oberbürgermeisterin von Neu-Ulm werden will. Doch auch in der 60.000-Einwohner-Stadt am westlichsten Rand Bayerns sind die Voraussetzungen für eine christsoziale Bewerberin im Vergleich mit den Großstädten nicht schlecht. Immerhin stellt die CSU dort seit 1977 den Oberbürgermeister. Besonders im Blick stehen wird am Sonntag abend auch Regensburg. Dort versucht sich der frühere Amtsinhaber Joachim Wolbergs an einem Comeback. 

Nach Korruptionsvorwürfen wurde der SPD-Politiker 2017 vom Dienst suspendiert. Obwohl der Prozeß gegen ihn noch läuft, bewirbt sich Wolbergs, der alle Vorwürfe bestreitet, für eine dritte Amtszeit – allerdings nicht mehr für die Sozialdemokraten, sondern für die von ihm gegründete Partei „Brücke“, für die er auch als Stadtratskandidat auf dem ersten Listenplatz steht. Mit Ausnahme von CSU, SPD und Grünen werden die parteipolitischen Aussagen der Wahl dagegen eher mäßig sein. In Bayern sind es gerade im ländlichen Raum vor allem Wählervereinigungen, die Gemeinderatsmandate, Bürgermeistersessel oder sogar Kreistagsmandate holen.