© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 12/20 / 13. März 2020

Ländersache: Sachsen
Wach- und Schlußgesellschaft
Paul Leonhard

Sachsens Wachpolizei, einst vom früheren Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) als „zukunftsweisend“ gelobt, gilt inzwischen im Freistaat als Auslaufmodell. Weil inzwischen ausreichend „richtige“ Polizisten ausgebildet werden konnten, soll das Kapitel zum Ende des Jahres abgeschlossen werden. Der Gesetzgeber habe bewußt das sächsische Wachpolizeidienstgesetz auf fünf Jahre befristet, teilte ein Sprecher des Innenministeriums mit. Es sei nur als temporäre Personalverstärkung gedacht gewesen.

So ganz stimmt das allerdings nicht. Denn im Ministerium war durchaus darüber nachgedacht worden, den Einsatz der Wachpolizisten zu verlängern. Schließlich schieben Landes-, Bereitschafts- und Bundespolizei noch immer Überstundenberge vor sich her, und die zur Eindämmung der grenzüberschreitenden Kriminalität seit Monaten verstärkten Komplexkontrollen an der Außengrenze zu Polen und Tschechien führen zu einer weiteren Mehrbelastung Hunderter Beamter.

„Mit ihren aktuellen Kapazitäten fährt die sächsische Polizei konstant am Limit“, warnt der Görlitzer AfD-Landtagsabgeordnete Sebastian Wippel, selbst Polizist, auf seiner Facebook-Seite. 180.000 Überstunden würden Sachsens Polizisten derzeit über die Monate schleppen, was „angesichts der gestiegenen Sicherheitsanforderungen fahrlässig“ sei. Es ist nicht das erste Mal, daß der Freistaat auf schnell ausgebildete Hilfspolizisten zurückgreifen mußte, bereits von 2002 bis 2006 gab es eine Wachpolizei. Diesmal wurde sie von der schwarz-roten Koalition Ende 2015 wieder eingeführt, um die Polizei zu entlasten und die angesichts steigender Kriminalität mit der Gründung von Bürgerwehren drohende Bevölkerung zu beruhigen.

Die innerhalb von drei Monaten ausgebildeten Ordnungshüter, von der Opposition als „Billigpolizei“ verspottet, wurden, bewaffnet mit Pistole und Schlagstock, vor allem im Objektschutz und zur Bewachung von Asyleinrichtungen eingesetzt. Inzwischen haben sich viele der Wachpolizisten weiterqualifiziert und konnten in den regulären Polizeivollzugsdienst übernommen werden. Aktuell befinden sich 396 Frauen und Männer in dieser Weiterbildung, knapp 200 sind noch als Wachpolizisten im Einsatz.

Daß ein Bundesland mangels Beamten auf Angestellte zurückgreifen muß, ist kein Ausnahmefall. Die Hessen waren im Jahr 2000 bundesweit die ersten, die so ein Modell einführten. In Sachsen-Anhalt soll nach zwei Jahren der Einsatz der Hilfspolizisten wie in Sachsen 2021 auslaufen.

Die Wachpolizei habe sich als Übergangslösung bewährt, lobte SPD-Innenexperte Albrecht Pallas das Projekt. Mittlerweile werden aber in Sachsen pro Jahr 700 Polizisten neu ausgebildet, und die Ausbilder sind knapp. Und da sich ohnhin nicht mehr ausreichend Bewerber fanden, die für rund 2.200 Euro netto Personalien aufnehmen, Platzverweise aussprechen, Gegenstände beschlagnahmen oder Asylbewerber bewachen wollen, will das Innenministerium nun das kostbare Lehrpersonal lieber für die reguläre Polizeiaus- und -fortbildung einsetzen. Bis zum nächsten Engpaß. Denn von einem vorausschauenden und bedarfsorientierten Stellenaufwuchs, wie ihn die AfD fordert, muß die in Dresden regierende Kenia-Koalition erst noch überzeugt werden.