© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 12/20 / 13. März 2020

Beifall der Woche
Anbiedernde Kapitalistin
Björn Harms

Nur die wenigsten wissen heute noch, daß der internationale Weltfrauentag am 8. März auf Clara Zetkin zurückgeht – eine einflußreiche Leninistin, die von einem „Sowjetdeutschland“ träumte und von 1920 bis 1933 für die KPD im Reichstag saß. Die Chefin der Parfümeriekette Douglas, Tina Müller, hatte es am Sonntag offenbar nicht vergessen. „Clara Zetkin verdanken wir den Weltfrauentag!“, frohlockte sie auf Twitter. „Im August 1910 schlug sie auf der 2. Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz gegen den Willen ihrer männlichen Kollegen die Einführung eines solchen Tages vor.“ Eine kritische Einordnung ließ die ehemalige Opel-Managerin jedoch vermissen. „Inspirierende Frau!“, schwärmte die 51jährige stattdessen. Nicht nur daß Zetkin eine entschiedene Gegnerin der parlamentarischen Demokratie war. In einem Moskauer Schauprozeß 1922 fungierte sie zudem als Ankläger gegen sozialrevolutionäre Regimegegner und forderte die Todesstrafe für sie. Was eine Überzeugungstäterin à la Zetkin bei kommunistischer Machtübernahme mit einer unverblümten Großkapitalistin wie Tina Müller gemacht hätte, kann sich wohl jeder selbst ausmalen. Wenn heutzutage also selbst die angefeindete Bourgeoisie dem Sozialismus Tür und Tor öffnet, welchen Gegner hat die Ideologie dann überhaupt noch?