© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 12/20 / 13. März 2020

Kurz will Kurs halten
Österreich: Mit seiner harten Haltung in Fragen der illegalen Einwanderung überrascht der ÖVP-Kanzler die EU-Partner und stellt die Grünen auf die Probe
Boris T. kaiser

Spätestens seit den Grenzöffnungen durch den türkischen Präsidenten Erdo?an schwebt das Worst-Case-Szenario einer Neuauflage des Jahres 2015 in der Asylfrage wie ein Damoklesschwert über dem europäischen Kontinent. Daß es dazu bislang nicht gekommen ist, haben die Europäer nicht zuletzt der Republik Österreich und ihrem Bundeskanzler Sebastian Kurz zu verdanken. Anders als von vielen befürchtet, ist dieser nach dem Auseinanderbrechen seiner rechts-konservativen Regierung mit der FPÖ bislang auch in der neuen Koalition mit den österreichischen Grünen in der Einwanderungsfrage stabil geblieben. Als gerngesehener Interviewpartner warnt der ÖVP-Mann die Staaten der Europäischen Union eindringlich vor einer Aufnahme von Migranten aus dem Grenzgebiet.

Vor allem die Grüne Jugend zürnt

„Wenn diese Menschen, die teilweise auch gewaltbereit sind, am Ende nach Mitteleuropa durchkommen, wird es nicht bei den 13.000 bleiben. Dann werden es bald Hunderttausende und später vielleicht Millionen sein“, so die deutlichen Worte des österreichischen Regierungschefs.

Um eine solche Entwicklung abzuwenden, unterstützt Kurz auch ganz konkret die griechische Regierung und ihre Behörden. Jüngst kündigte er an, 13 Polizeibeamte seines Sondereinsatzkommandos Cobra, eine Drohne sowie ein gepanzertes Fahrzeug an die griechisch-türkische Grenze zu entsenden. Für Österreichs Kanzler scheint das nur konsequent. „Neben der Aufstockung von Frontex leistet Österreich einen eigenen zusätzlichen Beitrag an direkter Hilfe für Griechenland. Wir müssen alles daransetzen, daß die griechische Grenze zur Türkei geschlossen bleibt und wir den Spielchen Erdo?ans nicht nachgeben. Dazu leisten wir einen Beitrag“, begründete Kurz die Entscheidungen.

Wie lange er seine klare Haltung in der sogenannten Flüchtlingsfrage noch aufrechterhalten kann, ist allerdings ungewiß. Beim Koalitionspartner formiert sich, wenn bislang auch schwächer als erwartet, erster Widerstand. Vizekanzler Werner Kogler forderte kürzlich bereits die Aufnahme von Frauen und Kindern in Österreich und wurde dabei vom ehemaligen grünen Parteivorsitzenden und heutigen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen unterstützt. 

Für Kurz sind die Forderungen seines Stellvertreters dessen „Privatmeinung“, die er für die Regierungspolitik streng zurückweist. Bislang mit Erfolg. Auch weil er sich die Loyalität des Regierungspartners mit Versprechen und Zugeständnissen, vor allem in der Klimapolitik, teuer erkauft hat. „Es ist möglich, Klima und Grenzen zu schützen“, so das österreichische Kanzler-Diktum, das die Koalition bislang zusammenhält. Sehr zum Ärger unter anderem der Grünen Jugend. „Wie geil muß dieses Klimapaket eigentlich werden, so daß manche glauben, es würde das Mittragen all dieser Grauslichkeiten und Menschenrechtsverletzungen rechtfertigen?“, twitterte etwa der erboste Landessprecher der Grünen Jugend Oberösterreich, Stephan Bartosch. 

In der Bevölkerung ist der Rückhalt für Kurz und seine Sicherheitspolitik derweil weitgehend ungebrochen. Die Teilnehmerzahlen der „Öffnet die Grenzen“-Demonstrationen in Österreich hielten sich jedenfalls in überschaubaren Grenzen. Zur angekündigten Großkundgebung in Wien kamen lediglich rund 500 Teilnehmer.