© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 12/20 / 13. März 2020

Ungeschminkte Demokratie
Günter Scholdt widerspricht der negativen Konnotation des Begriffs Populismus, der im politisch-medialen Komplex Einzug gehalten hat
Werner Olles

Populismus ist der Schrei der Völker, die nicht sterben wollen.“ Der schmerzhaft klingende Satz stammt von dem rechtskonservativen französischen Politiker Philippe de Villiers, und er bezeichnet exakt den Tatbestand einer politischen Ideologie, die nicht bereit ist, den menschlichen Tsunami hinzunehmen, der aus dem Nahen und Mittleren Osten und Afrika über das einstmals christliche Abendland hinwegrollt. 

Als Deutschland 2015 rechtswidrig seine Grenzen öffnete und unkontrolliert 1,5 Millionen vor allem junge muslimische Männer aus dem Orient und Afrika ins Land srömten, etablierte sich ein rechtsalternativer Populismus in Österreich, Italien Ungarn, Polen, Tschechien, der Slowakei, den Niederlanden, Finnland, Schweden und in Frankreich. Der Brexit und die Wahl von Trump taten ein übriges, um die politisch-mediale Klasse samt der sogenannten „Zivilgesellschaft“ in einen Alarmzustand zu versetzen. Der inzwischen zum Schimpfwort verkommene Terminus dient jedoch heute in erster Linie der tagespolitischen Ausgrenzung unliebsamer rechter Parteien und Politiker, die sich wie Ungarns Ministerpräsident Victor Orbán, Polens nationalkonservative Regierung, Frankreichs Marine Le Pen und in Deutschland die AfD den Zumutungen und Verwerfungen einer „kulturellen McDonaldisierung bzw. Multikulti-Einfalt“ (Günter Scholdt) widersetzen. 

Für den Dramatiker Botho Strauß ist ein Populist lediglich ein „ungeschminkter Demokrat“. Die unübersehbare Spaltung der Gesellschaft und den Grund der Krise der Politik geben die sich in den Feuilletons der Mainstream-Medien tummelnden „Antifa-Experten“ jedoch gern an die Rechtspopulisten weiter und bezeichnen zum Beispiel die Politik der AfD als „aufkommenden Totalitarismus“. Daß diese „sich selbst befriedigenden Theoretiker ohne Zugang zur Essenz eines Problems“ (Scholdt) ein Demokratieproblem haben und der Populismus sie intellektuell überfordert, verdankt sich ihrem ressentimentgeladenen Fanatismus und anbiederischen Moralismus, der die eigene intellektuelle Niveaulosigkeit kaschieren soll. Es ist durchaus gelungen, wie überlegen Günter Scholdt sich ihrer annimmt und notorische Diffamierungen wie Populismus sei „simplifizierte Demagogie“ überzeugend widerlegt. Wenn gestandene Politiker ihren manipulierten Enkeln nach dem Munde redeten und sich karrieregeil von 17jährigen vor sich hertreiben ließen, sei dies „Infantilismus als Zeittrend“, schreibt der Autor und zerlegt linksgrüne Phrasen wie „Bunt statt braun“, „Deutsche Täter sind keine Opfer“, „Die Sonne schickt keine Rechnung“, „Kein Mensch ist illegal“ oder „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“ nach allen Regeln der Kunst. 

Göring-Eckardts Gewäsch der „geschenkten Menschen“ entlarvt er als grünen Edelkitsch, der harmonische Propagandabilder suggeriere. Den Vogel schoß Thüringens blamierter Ministerpräsident Bodo Ramelow ab, als er in „blumenbegrenztes Verzücken“ verfiel und im Sommer 2015 mit rotem Spielzeugauto zum Bahnhof pilgerte, den Einwanderer-Zug mit einem schallenden „Inschallah“ begrüßte und gestand, er habe den ganzen Tag geheult, denn das sei „der schönste Tag seines Lebens“ gewesen. 

Angesichts dieser an Senilität grenzenden Gefühlsseligkeit der Herrschenden, die sich vor jeglicher Kritik abschotten, ist ein Populismus von rechts die einzige emanzipatorische Perspektive, die in diesem Land, in dem die Kritik des Totalitarismus als totalitär bezeichnet wird, sinnvoll und notwendig ist. Insofern beantwortet der Autor seine im Untertitel vielleicht nur suggestive Frage, ob Populismus ein „demagogisches Gespenst oder berechtigter Protest“ sei, in ziemlicher Eindeutigkeit.

Günter Scholdt: Populismus. Demagogisches Gespenst oder berechtigter Protest? Basilisken-Presse, Marburg an der Lahn 2020, broschiert, 96 Seiten, 13,50 Euro