© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/20 / 20. März 2020

Corona Bavariae
Kommunalwahlen im Zeichen der Krise: Die Bayern haben den Höhenflug der Grünen gedämpft / Stichwahlen sollen per Brief erfolgen
Thorsten Brückner

Am Tag bevor in Bayern die Schulen schlossen, standen in eben diesen Klassenräumen noch die Wahlurnen. Mit „regulär“ hatte die Abstimmung dann auch nur begrenzt zu tun: Die Stadt München etwa fand nicht genügend Wahlhelfer und mußte Lehrer zur Auszählung zwangsrekrutieren. Auch die Stichwahlen am 29. März tragen bereits jetzt einen Makel. Unter Berufung auf das Infektionsschutzgesetz kündigte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) an, die zweite Runde werde ausschließlich als Briefwahl stattfinden. Eine Änderung des Wahlmodus zwischen erstem und zweitem Wahlgang; die Proteste dagegen hielten sich in Grenzen. Dabei wird die Stichwahl diesmal entscheidender denn je, einfach aufgrund der zahlenmäßigen Häufigkeit: München, Nürnberg, Regensburg, Augsburg, Ingolstadt, Landshut, Ansbach, Erlangen, Bamberg, Aschaffenburg, Bayreuth, Kulmbach … überall dort sind die Wähler ein zweites Mal gefragt. 

Betroffen vom Gang in die ungeliebte zweite Runde sind auch eigentlich nicht unbeliebte Amtsinhaber wie Dieter Reiter (SPD) in München, der mit 48 Prozent knapp die absolute Mehrheit verpaßte. Überraschend schaffte es in der Landeshauptstadt CSU-Kandidatin Kristina Frank auf Platz zwei. Sie setzte sich gegen die Grünen-Bewerberin Kat-rin Habenschaden durch – trotz eines starken Abschneidens der Grünen bei der gleichzeitig stattfindenden Stadtratswahl, wo sie als erste ins Ziel kamen. Auch das Oberbürgermeisterwahlergebnis von Nürnberg trug zu der am Sonntag abend eher gedämpften Stimmung bei der Öko-Partei bei. Ihre Spitzenfrau, die Landtagskandidatin Verena Osgyan scheiterte mit rund 15 Prozent sang- und klanglos. Auch in der Frankenmetropole kommt es zur Stichwahl zwischen dem nach dem ersten Durchgang vorne liegenden CSU-Kandidaten Marcus König (36,45 Prozent) und dem Sozialdemokraten Thorsten Brehm (34,93 Prozent).

Daß ein landesweiter Trend sehr schwierig ist, hängt auch damit zusammen, daß einmal mehr Persönlichkeiten im Vordergrund standen. Stimmenkönig wurde der Straubinger Oberbürgermeister Markus Pannermayer (CSU). Er erreichte mit 73,25 Prozent das landesweit beste Ergebnis aller Oberbürgermeister. Dem Fürther Oberbürgermeister Thomas Jung konnte der schwache Landestrend seiner SPD nichts anhaben. Jung, der sich in der Vergangenheit auch immer wieder kritisch zur Migrationspolitik äußerte, erzielte mit 72,9 Prozent ein starkes Ergebnis. Da die ganz großen Überraschungen ausblieben, fielen kleine dafür um so mehr ins Gewicht: Etwa, daß Katrin Albsteiger ihren Sieg in Neu-Ulm bereits im ersten Wahlgang klarmachen konnte. Auch daß es Bayerns einziger CDU-Bürgermeister Christian Schuchardt in Würzburg bereits in der ersten Runde schaffte, ist angesichts der Stärke der Grünen in der unterfränkischen Bezirkshauptstadt eine kleine Überraschung – trotz Amtsinhaberbonus.

Weniger überraschend ist hingegen, daß der ehemalige Verkehrs- und Bauminister Hans Reichhart (CSU) die Wahl zum Günzburger Landrat bereits im ersten Wahlgang schaffte. Gescheitert gegen den grünen Amtsinhaber ist dagegen der alevitische CSU-Mann Ozan Iyibas in Neufahrn bei Freising. Die AfD erlebte einen rabenschwarzen Tag. Ihre Landesvorsitzende Corinna Miazga entschuldigte die meist schwachen Resultate mit einer „Diffamierungskampagne” gegen die Partei und zog das Fazit: „Wir stehen gar nicht so schlecht da.“

In München holte die Partei bei der Oberbürgermeisterwahl mit Wolfgang Wiehl magere 2,8 Prozent, im Stadtrat waren es 3,8 Prozent. In Nürnberg zeigten Zwischenergebnisse die Partei bei 6,2 Prozent. Einen Achtungserfolg erzielte hingegen der AfD-Landtagsabgeordnete Gerd Mannes mit 10,1 Prozent bei der Landratswahl im Landkreis Günzburg. Ein Ergebnis, das gerade wegen der dortigen Kandidatur des Ex-Ministers Reichhart besonders heraussticht. Immerhin bleibe man „kommunal verankert“, resümierte der bayerische Bundestagsabgeordnete Peter Felser gegenüber der JUNGEN FREIHEIT.