© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/20 / 20. März 2020

Die EZB hat sich ihre Handlungsmöglichkeiten selbst verbaut
Das Pulver verschossen
Joachim Starbatty

Die EZB verkündet am 12. März ihr Lockerungsprogramm und die US-Fed drei Tage später ihre Zinssenkung, doch der Dax rauscht in die Tiefe. Wird es so weitergehen? Ist der Coronavirus unter Kontrolle, kehrt Normalität ein – oder frißt er sich in die Wirtschaft hinein? Was kann die EZB tun? Da hilft ein Schritt zurück, um das ganze Bild zu sehen. Die Krise ist entstanden, weil der Coronavirus unser Verhalten verändert, Nachfrage bricht weg. Da helfen keine Konjunkturprogramme. Bei partiellen Krisen müssen die Regierungen schauen, wo es brennt, und dann das passende Instrument heraussuchen. Das kostet Zeit.

Daher sind zunächst die Zentralbanken gefragt, um ein Übergreifen der Krise auf die Gesamtwirtschaft zu verhindern. Sie sind auf kurze Sicht besser gewappnet. Ihre Vorstände kommen von heute auf morgen zusammen und entscheiden. Ihre Vorgaben können ohne Zeitverlust von den operativen Sektionen umgesetzt werden: Sie können mit ihren Zinsen heruntergehen, die Liquiditätsschleusen öffnen und damit die Tränken füllen, aus denen die Pferde saufen sollen.

Ob sie es tun, haben die Zentralbanken nicht in der Hand. Doch schaffen sie die Voraussetzungen dafür, daß Firmen, die investieren wollen, dies zu günstigeren Konditionen tun können. Aber genau das hat sich die EZB selbst verbaut. Darüber schweigen die politisch Verantwortlichen. Um den Zusammenhalt der Eurozone zu wahren, hat die EZB über Nullzinsen, Liquiditätsschwemme und Staatsanleiheankäufe den Wackelkandidaten in der Eurozone den Zugang zu billigem Geld freigemacht. Lägen die Zinsen wie früher deutlich über null, könnte die EZB ein Zeichen setzen. Das ist vorbei.

Ein wenig mehr von der bereits verabreichten Medizin beeindruckt niemanden. Daher fordern manche „Experten“ die EZB zu ungewöhnlichen Maßnahmen auf: ihre „Bazooka“ herauszuholen oder die „dicke Berta“ in Stellung zu bringen. Wenn jedoch die Munition verschossen ist, bleiben die dicksten Kanonen stumm. Noch eines ist wenig beachtet worden. Die EZB-Chefin Christine Lagarde hat auf die Frage, ob die EZB Renditeaufschlägen bei italienischen Staatsanleihen entgegenwirken werde, geantwortet, nein, das sei ein Marktphänomen. Recht hat sie. Doch die Märkte reagierten enttäuscht: Die Renditeabstände zu deutschen Anleihen stiegen daraufhin. Madame Lagarde mußte nachbessern, ein zu großer Renditeabstand mindere die Effizienz der Geldpolitik und müsse daher verhindert werden.

Das war bisher die Rechtfertigung des früheren EZB-Präsidenten Mario Draghi für Nullzinsen und Staatsanleiheankäufe. Was damals falsch war, ist auch heute noch falsch. Die Euro-Welt ist schon verrückt: Man muß falsche Antworten geben, um die Märkte zu beruhigen.






Prof. Dr. Joachim Starbatty ist Ökonom und war Abgeordneter des EU-Parlaments.