© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/20 / 20. März 2020

Nach historischem Vorbild
Stadtgestaltung: Die Kuppel des Berliner Stadtschlosses steht vor ihrer Vollendung
Peter Möller

Türme und Kuppeln haben Städten schon immer eine unverwechselbare Silhouette gegeben. In Berlin ist beziehungsweise war das nicht anders. Bis zum Zweiten Weltkrieg wurde die Mitte der Stadt unter anderem geprägt von den Kuppeln des Berliner Doms, des Stadtschlosses sowie der beiden Kirchen auf dem Gendarmenmarkt. Hinzu kam der mächtige Turm des Roten Rathauses sowie die zahlreichen Türme der alten Berliner Kirchen. Vieles davon sank im Zweiten Weltkrieg in Trümmer. Manches, wie der Berliner Dom, wurde nach dem Krieg wiederaufgebaut, anderes, wie etwa die Petrikirche, für immer abgeräumt, Neues trat hinzu, wie der Berliner Fernsehturm.

Mit der Kuppel des Stadtschlosses geht nun ein markantes Bauwerk der alten Stadtsilhouette der Vollendung entgegen, das fast siebzig Jahre aus dem Stadtbild verschwunden war. Das Äußere der Kuppel ist bis auf die krönende sogenannte Laterne mit dem vergoldeten, dreieinhalb Meter hohen goldenes Kreuz weitgehend fertiggestellt. Wenn alles nach Plan verläuft, soll der von acht Engel-Figuren getragene Kuppelabschluß im April mit einem Kran an seinen Platz gehievt werden. Im Mai dann soll der Wiederaufbau der Kuppel abgeschlossen sein.

Daß es soweit überhaupt gekommen ist und die Kuppel künftig wieder über dem mächtigen Eosander-Portal des Stadtschlosses thront, ist nur durch Spenden möglich. In den ursprünglichen Planungen für die Ausschreibung für den Wiederaufbau der ehemaligen Hohenzollernresidenz als Humboldt-Forum war die Kuppel aus Kostengründen überhaupt nicht vorgesehen. Erst nachdem der Initiator der Schloßrekonstruktion, Wilhelm von Boddin, sich mit seinem Schloßverein bereiterklärt hatte, die Kosten für die Kuppel allein durch Spenden zu finanzieren, gaben die Behörden grünes Licht. Andernfalls wäre der äußere Wiederaufbau des Schlosses auf Jahrzehnte unvollendet geblieben.

Der Kopie wäre es damit beinahe so ähnlich ergangen wie dem historischen Vorbild. Denn schon an der Wende vom 17. zum 18 Jahrhundert, als das Berliner Schloß durch die Baumeister Andreas Schlüter und Eosander von Göthe von einer Renaissance- zu einer barocken Königsresidenz umgebaut und erweitert wurde, gab es Pläne für eine Kuppel über dem zentralen Portal Nr. 3, die allerdings unter anderem aus Geldmangel nicht verwirklicht wurden. Daran sollte sich die nächsten fast 150 Jahre nichts ändern. Erst unter dem architekturbegeisterten König Friedrich Wilhelm IV. wurden die Pläne für eine Schloßkuppel wieder aufgegriffen und in die Tat umgesetzt. Bereits als Kronprinz hatte sich der spätere Monarch mit dem Architekten Karl Friedrich Schinkel über Pläne für eine Bekrönung des Eosanderportals ausgetauscht. Schinkels Schüler Friedrich August Stüler setzte die Überlegungen schließlich 1848 um. Fortan bestimmte seine wohlproportionierte Kuppel nicht nur das Erscheinungsbild des Stadtschlosses, sondern prägte auch das Berliner Stadtbild.

Noch als ausgeglühtes Gerippe thronte die Kuppel über der nach einem Luftangriff ausgebrannten und von den Straßenkämpfen zerschossenen Ruine des Schlosses, bis sie mit diesem durch die vom SED-Regime angeordnete Sprengung 1951 endgültig vernichtet wurde. Mit der Kuppel verschwand auch die darunter liegende große Schloßkapelle für 700 Personen, die bis zum Ende der Monarchie 1918 für religiöse Feierlichkeiten der Hohenzollern genutzt wurde; zuletzt 1913 für die Hochzeit der einzigen Tochter Kaiser Wilhelms II., Prinzessin Victoria Luise mit Ernst August von Braunschweig.

Auch wenn die Kuppel äußerlich originalgetreu rekonstruiert wird, wird sich in ihrem Inneren künftig weder eine Kapelle befinden, noch wird der Innenraum für Ausstellungszwecke des Humboldt-Forums genutzt werden. Moderne baurechtliche Vorgaben haben die Planer des Wiederaufbaus dazu bewogen, die Kuppel mit einer Zwischendecke abzuteilen und vorerst nicht zu nutzen. Spätere Generationen könnten diese Entscheidung indes korrigieren.

Die städtebauliche Lücke, die das Verschwinden der Schloßkuppel hinterlassen hatte, wurde besonders mit Blick auf den benachbarten Berliner Dom deutlich. Ohne das Gegengewicht der vergleichsweise filigranen Schloßkuppel wirkt die gewaltige Kuppel des von 1894 bis 1905 von Julius Raschdorff erbauten protzigen wilhelminischen Sakralbaus noch maßloser.

Mittlerweile ist die aus Beton gegossene Basis, auf der die Kuppel ruht, der sogenannte Tambur, bereits komplett mit Ziegelsteinen und Schmuckelementen aus Sandstein verkleidet. Dadurch erinnert die Kuppel nicht mehr wie in der ersten Bauphase an die Schutzhülle eines Atomkraftwerkes. Die Kuppel selbst ist bereits nach historischem Vorbild mit Kupferblech gedeckt, die Plattform an der „Spitze“ der Kuppel, auf der demnächst die krönende Laterne verankert wird, ist ebenfalls bereits vorbereitet.

Seit Monaten schon wird an der Rekonstruktion der künstlerisch anspruchsvollen Kuppellaterne gearbeitet. Als Grundlage für die durch den Brand des Schlosses und die Sprengung komplett vernichtete Bekrönung dienen historische Fotografien und einige wenige Fragmente, die aus den Trümmern geborgen werden konnten. Mehrere Berliner künstlerische Fachbetriebe haben sich zusammen mit dem Bildhauer Andreas Artur Hoferick, der die großen Engelfiguren, die das Dach der Laterne mit dem goldenen Kreuz tragen, nachgeschöpft hat, in mühevoller Recherchearbeit der historischen Gestalt der Kuppellaterne erarbeitet und in künstlerischer Handarbeit neu erschaffen.

Lange war allerdings nicht klar, ob die Kuppel und damit das wiederaufgebaute Stadtschloß am Ende tatsächlich von einem goldenen Kreuz gekrönt wird. Denn Anfang 2017 hatte eine Berliner Stiftung einen Streit um das christliche Symbol auf dem Schloß losgetreten. Das Kreuz, so hieß es aus der Stiftung, passe nicht zum offenen, die Kulturen der Welt und damit auch die Religionen „ohne Hierarchisierung“ präsentierenden Humboldt-Forum. Erst nach wochenlangem öffentlichen Streit konnte sich der Stiftungsrat des Humboldt-Forums als Bauherr zu einem Machtwort für das Kreuz durchringen. Denn allen Beteiligten war klar: Ohne das Kreuz wäre die Kuppel und damit das Schloß unvollendet geblieben.